Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
hinüber.
»Du warst aber ganz schön lang unten«, sagte Sonia und musterte ihn über den Rand ihrer Sonnenbrille hinweg.
»Es gibt in diesem Haus Orte, wo wir nicht hingehen dürfen«, sagte er.
»Was meinst du?«
»Verschlossene Türen, die in den Keller führen. Niemand darf da durch.«
»Hast du darüber gerade nachgedacht?«
»Mein Vater hat Geheimnisse.«
»Die haben alle Männer.«
»Frauen nicht?«
Sie spielte das Unschuldslamm. »Natürlich nicht.«
»Er behauptet, dort liege nur ein Gewölbekeller. Darin würden Kunstgegenstände und andere Sammlerstücke lagern, die niemand beschädigen dürfe.«
»Klingt, als ob du ihm nicht glaubst.«
»Tue ich auch nicht.«
»Warum nicht? Was sollte er dort verstecken?«
Miguel wurde das Herz schwer. »Ich weiß es nicht.«
»Warum fragen wir ihn nicht, ob wir dort hinuntergehen und uns diese Sachen anschauen dürfen? Er kann uns ja begleiten …«
»Er wird es nicht erlauben.«
»Warum?«
»Keine Ahnung.«
»Soll ich ihn mal fragen?« Sie lächelte unschuldig. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich mag.«
Miguel seufzte. »Natürlich mag er dich.«
Sie wackelte mit den Augenbrauen wie ein kleines Mädchen. »Sollen wir uns mal heimlich dorthinunter schleichen?«
Miguel kicherte. »Vor der Tür steht rund um die Uhr eine Wache.«
»Vielleicht bewahrt er dort unten auch Schmuck auf. Teure Objekte, die er in Sicherheit wissen möchte. Deshalb dieser Wachmann. Ich verstehe nicht, warum dir das komisch vorkommt. Dies sind gefährliche Zeiten, in denen man seinen Besitz schützen muss.«
»Ich möchte dir eigentlich etwas erzählen, aber ich habe Angst.«
Sie stand auf, ging zu ihm hinüber, setzte sich auf den Beckenrand und ließ die Beine im Wasser baumeln. Er kuschelte sich an ihren Schenkel, und sie legte ihm die Hand auf die Wange. »Du kannst mir doch alles sagen …«
»Erinnerst du dich noch, was Raúl gesagt hat, bevor sie ihn umgebracht haben?«
Sie verzog das Gesicht. »Müssen wir wirklich darüber reden?«
»Bitte …«
Sie seufzte tief auf. »Ich kann mich nicht daran erinnern, was er gesagt hat. Ich erinnere mich nur noch an Schreie. Und … an das … Blut …« Sie griff sich jetzt selbst an die Wange, als sie noch einmal nacherlebte, wie sie ihr Raúls Blut über das Gesicht schmierten.
»Er sagte, das Kartell werde für alles zahlen. Ich wiederhole: Er sagte, das Kartell werde zahlen. Warum sollte er so etwas sagen?«
»Vielleicht war er auch für ein Kartell tätig und hat das Fernando nur nie verraten. Wer weiß? Vielleicht sind wir nur deshalb in Schwierigkeiten geraten. Warum denkst du darüber nach?«
»Es ist nur … ach nichts.«
»Du hast gesagt, es stehe ein Wachmann vor der Kellertür. Den habe ich noch gar nicht gesehen.«
»In diesem Teil des Hauses waren wir noch nicht.«
»Vielleicht können wir ihn bestechen.«
»Ausgeschlossen.«
»Das wissen wir erst, wenn wir es versucht haben. Auf! Das wird lustig. Das bringt dich auf andere Gedanken.«
Sie stand auf und drehte sich zu Fernando um, der jetzt auf der Pool-Veranda auftauchte und sein Handy vom Ohr nahm. »Ihr solltet duschen und euch ankleiden«, sagte er. »Señor Rojas wird uns bald zum Abendessen rufen …«
»Wir möchten zuerst in den Keller hinuntergehen.«
Er schaute sie finster an und blickte dann zu Miguel hinüber. »Es tut mir leid, aber nur Señor Rojas darf dort hinunter.«
Sonia stellte sich direkt vor ihn, streckte ihm den Busen entgegen und säuselte: »Seien Sie kein Spielverderber, Fernando. Machen Sie mit uns eine kleine Tour.«
»Das ist nicht möglich.«
Sie schmollte hinreißend. »Na ja, okay. Dann machen wir uns halt zum Abendessen fertig. Komm, Miguel. Ich bekomme sowieso bald einen Sonnenbrand hier …«
Sie half ihm aus dem Pool und reichte ihm ein Hand tuch. Castillo schaute ihn prüfend an. »Fernando, stimmt etwas nicht?«
»Nein, alles in Ordnung.«
Im Ton des Leibwächters war der Argwohn deutlich zu hören.
Privathaus
South Broad Street 121
Palmdale, Kalifornien
D er Kartell-Lieferwagen fuhr rückwärts die Einfahrt zu einem zweigeschossigen Privathaus in einem südöstlichen Vorort von Palmdale hinauf und blieb dort erst einmal stehen. Ansara und Moore parkten etwa fünfzehn Häuser entfernt die Straße hinunter zwischen zwei weiteren Autos. Palmdale ist eine Stadt auf einem Wüstenplateau, die von Los Angeles durch den Gebirgszug der San Gabriel Mountains getrennt ist. Im Sommer ist es dort brütend
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