Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Rana hatte lange gezögert, sich von der CIA anheuern zu lassen. Moore hatte fast drei Monate gebraucht, um Rana davon zu überzeugen, dass diese Arbeit nicht nur aufregend und lukrativ sei, sondern dass er dadurch auch dem Guten in der Welt dienen und vor allem die Sicherheit seines eigenen Landes befördern könne. Eigentlich hatte er sich trotzdem vornehmlich seinem Studium widmen wollen, aber als Moore ihn dann ausgebildet und ausgeschickt hatte, um Informationen zu sammeln, fand er diese Arbeit ausgesprochen spannend. Er hatte alle James Bond-Filme gesehen und sogar einige ihrer Dialoge auswendig gelernt, die er bei Gesprächen mit Moore sehr zu dessen Leidwesen immer wieder zitierte. Tatsächlich hatte Rana sein Englisch durch amerikanische Kinofilme »perfektioniert«. Leider würden seine wohlhabenden Eltern ihm niemals gestatten, einen solchen Beruf zu ergreifen. Er dachte also, dass er mit seinem neuen Nebenjob zumindest eine Weile eine Menge Spaß haben würde – wenigstens bis er ihn langweilen würde. Tatsächlich hätte Moore auch zu anderen, weniger ethischen Mitteln wie Erpressung greifen können, um ihn zu rekrutieren, aber er hatte seinem Schützling versichert, dass auch ihre berufliche Beziehung auf gegenseitigem Vertrauen beruhen sollte. Rana imponierte dies so sehr, dass er sich nur noch mehr bemühte, Informationen für seinen Freund und Mentor zu beschaffen.
Im Augenblick lag er in einem kleinen Graben auf dem Hügel über dem Hotel, von dem aus er alle Vorgänge dort unten genau beobachten konnte. Sein Herz schlug jetzt schneller, als er eine SMS für Moore in sein Handy eintippte:
HABE GALLAGHER AUFGESPÜRT. SERENA-HOTEL. ISLAMABAD.
R ana wollte Moore mitteilen, dass ihr lieber Kollege Dreck am Stecken hatte. Gallagher arbeitete jetzt mit bekannten lokalen Taliban-Kommandeuren zusammen. Mit einigen von ihnen traf er sich gerade in diesem Hotel. Rana glaubte, dass er durchaus auch Khodais Familie umgebracht haben könnte. Immerhin war er ja dort gewesen, um sie zu »beschützen«. Jeder hatte seinen Preis, und die Taliban hatten offensichtlich seinen ermittelt.
Rana hatte sie nicht kommen hören. Plötzlich riss ihm jemand von hinten das Handy aus der Hand. Als er sich umdrehte, sah er einen Knüppel auf sich heruntersausen. Dann wurde es dunkel um ihn.
R anas Kopf hing ihm auf die Brust. In seinem Genick und auf einer Seite seines Gesichts verspürte er ein schmerzhaftes Pochen.
Als er die Augen öffnete, sah er erst einmal nur ziemlich unscharf etwas, das wie blaugrüne Vorhänge aussah, bis ihm plötzlich jemand mit einem hellen Licht in die Augen leuchtete.
»Du bist doch der Verräter, der für die Amerikaner arbeitet, stimmt’s?«
Der Mann, der diese Frage gestellt hatte, war ganz in seiner Nähe, obwohl Rana ihn nicht sehen konnte. Immer noch war alles verschwommen. Offensichtlich hatte er die Kontrolle über seinen Kopf noch nicht zurückgewonnen.
Nach dem Ton seiner Stimme zu schließen, war der Mann jung, nicht älter als dreißig , wahrscheinlich einer der Unterführer, die Rana beobachtet hatte.
»Es tut mir wirklich leid, du Armer«, meldete sich jetzt eine andere Stimme, die er sofort erkannte. Es war Gallagher. Sein Akzent war unverkennbar.
Jetzt wollte Rana unbedingt etwas sagen, auch wenn seine Lippen sich immer noch seltsam taub anfühlten. »Was tun Sie denn bei denen?«
»Moore hat dich auf mich angesetzt, stimmt’s? Das hätte er besser lassen sollen. Du bist ein guter Junge.«
»Bitte, lassen Sie mich gehen.«
Eine Hand schlug ihm ganz leicht auf die Wange. Endlich fand er die Kraft, seinen Kopf zurückzulehnen und nach oben zu schauen. Jetzt konnte er Gallaghers runzliges Gesicht erkennen, das sofort danach wieder unscharf wurde. Rana wurde plötzlich bewusst, dass sie sich gar nicht in einem Hotelzimmer, sondern irgendwo in einer Höhle befanden, die wahrscheinlich im Stammesbezirk Bajaur nordwestlich des Hotels lag. Das Blau und Grün, das er vorhin gesehen hatte, war tatsächlich der Stoff von Gallaghers Umhang und Hosen.
»In Ordnung, wir lassen dich gehen, aber zuerst stellen wir dir ein paar Fragen über deine Tätigkeiten in der letzten Zeit und darüber, was du und Moore hier in Pakistan erfahren habt. Verstehst du? Wenn du kooperierst, lassen wir dich frei. Dir wird nichts geschehen.«
Alles an Rana wollte das glauben, aber Moore hatte ihm erzählt, dass sie genau das sagen würden, wenn sie ihn jemals in die Finger bekommen sollten. Sie
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