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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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beschwichtigend die Hände. Er näherte sich Bess und schlang seine dürren Ärmchen um sie. Es sah irgendwie komisch aus, fand Henry, aber das Lachen war ihm längst vergangen. »Ganz wie du willst«, meinte Jack schließlich und gab Bess einen äußerst flüchtigen Kuss auf die Wange. »Aber du bist für den K-Kerl verantwortlich.«
    »Das lass nur meine Sorge sein!«, entgegnete Bess und wischte sich unmerklich mit dem Ärmel über das Gesicht, während Jack sich wieder neben die Blondine mit der spitzen Nase auf die Bank setzte.
    »Wo hast du so lange gesteckt?«, wandte sich Henry flüsternd an Bess.
    »Geht dich ’n Dreck an!«, knurrte sie zurück. Sie funkelte ihn mit wütend aufgerissenen Augen an und zischte leise: »Jetzt sind wir quitt, Macheath!«
    »Mein Name ist Henry.«
    »Mir doch egal!«
    »Jetzt lasst uns endlich feiern!«, rief Jenny und klopfte mit dem Trinkbecher auf den Tisch. »Auf Jack und Bess!«
    »Auf Jack und Bess!«, echoten Godfrey und William Page und hielten die Becher in die Höhe.
    »Auf Jack!«, riefen Blueskin und die Blondine.
    Im gleichen Augenblick erklang von draußen ein lauter Pfiff. Dann noch einer, diesmal von der Rückseite des Hauses. Und erneut ein gellender Pfiff von der Straße. Dann Getrappel und Gerenne auf dem Pflaster.
    »Das ist die Frau! Da vorne!«, rief jemand. »Schnappt sie euch! Schnell, sonst entkommt sie. Herrschaftszeiten, was seid ihr doch für Trottel!«
    »Verflucht!«, schrie Blueskin. »Da sind sie!«
    Die Tür flog auf. George stürzte ins Zimmer und rief: »Die Konstabler! Und eine ganze Horde von Handlangern.«
    »Schneller als g-gedacht«, meinte Jack und wandte sich an William: »Du und Kate, ihr bleibt hier. Jenny auch, der können sie nichts. Wir treffen uns heute Abend am verabredeten Ort.« Er stand auf, drehte sich einmal im Kreis, wobei er die Arme wie ein Prediger ausstreckte, und setzte hinzu: »Alle anderen raus!«
    »Raus?«, wunderte sich Henry. »Wohin? Wir sitzen in der Falle!«
    »Du bist anscheinend doch d-dümmer, als ich dachte!«, lachte Jack und gab Blueskin ein Zeichen. Gemeinsam mit Godfrey schob dieser eine niedrige Kommode zur Seite. Dahinter war die Wand mit einem festen dunklen Stoff bespannt, einer Art Damast, und als Godfrey den Stoff an der Seite löste und nach oben schlug, tat sich ein Loch in der Wand auf. Nacheinander verschwanden Blueskin, Godfrey, George und Bess in dem Loch, wobei vor allem die Letztere Schwierigkeiten hatte, ihren breiten Hintern durch die enge Öffnung zu bugsieren. Jack half nach, indem er mit den Händen schob, und als Bess sich am anderen Ende lauthals beschwerte, lachte er: »Seit w-wann hast du was dagegen, dass ich deinen Arsch anfasse?« Dann wurde er schlagartig wieder ernst und wandte sich an Henry: »Nach dir, mein L-Lieber! Ich möchte dich nicht in meinem Rücken haben.«
    Henry war alles recht. Er krabbelte, so schnell er konnte, durch das Loch und landete in einem stockfinsteren Raum, in dem es wie in einem verkoteten Viehstall oder Vogelkäfig roch. Über seinem Kopf und zu seinen Füßen gurrte, fiepte und raschelte es, und als er sich aufrichtete, stieß er mit dem Kopf gegen einen Balken. Im nächsten Augenblick öffnete Godfrey eine Luke unter dem Dachfirst. Er stand auf einer langen Holzleiter, die er an einen der waagerechten Kehlbalken gelehnt hatte. Weil das schräg einfallende Licht den winzig schmalen Raum erhellte, konnte Henry erkennen, dass es außer dem Loch in der Wand und der Luke im Dach keine weiteren Öffnungen gab. Weder Fenster noch Türen.
    »Weiter!«, befahl Jack, der es von allen am leichtesten hatte, durch das Loch zu kriechen. In der Hand hielt er die bei der Flucht aus dem Gefängnis verwendeten Frauenkleider, und auf seinem Kopf trug er Polls albernen Fasanenhut. Hinter ihm wurden der Stoff und die Kommode in ihre ursprüngliche Position versetzt, und in Windeseile kraxelten sie alle die Leiter hinauf und stiegen durch die Luke aufs Dach.
    »Und jetzt?«, flüsterte Henry, als er mit wackligen Knien nach unten schaute und in die dunkle Sackgasse blickte, durch die er vorhin gekommen war. Als er sich weit nach vorn beugte, sah er vor der Kellertür der Schänke einen Mann in einem dunklen Mantel, der einen langen, weißen Stab in der Hand hielt, sowie einen weiteren Schwarzbemantelten, der einen Degen gezückt hatte und damit herumfuchtelte, als müsste er irgendwelche Gegner abwehren.
    »Springen«, murmelte Blueskin am anderen Ende des Daches und

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