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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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zwei Stunden täglich. Das ist der Titel, an dem er zuletzt gearbeitet hat.
Insgesamt hat er dreiundzwanzig fertig und vier in Arbeit gehabt.«

    Ich stellte mir Tobias am Computer vor, wie er seine
Songs arrangierte. Wahrscheinlich war es schwierig, als Mensch aus Fleisch und
Blut mit der Perfektion des Computers mitzuhalten. Das würde Heikes
Verzweiflung erklären. Orchester vergangener Zeitalter wären vermutlich auch
nicht glücklich geworden, hätten Beethoven oder Brahms ein ähnliches Programm
gehabt.

    Â»Ich werde mir das heute noch anhören«, sagte Nina und
ich zweifelte nicht daran. Ich war ein bekennender Befürworter der
Arbeitsteilung.

    Â»Was hat er sonst am Computer gemacht?«, fragte ich. »Wie
steht es mit den E-Mails? Können wir die anschauen?«

    Â»Klar«, sagte Simon und öffnete über den Start-Button das
E-Mail-Programm. »Ich habe seine E-Mails gecheckt. Es sind unheimlich viele.
Seit Donnerstag hat er ungefähr 350 empfangen und 120 selbst verschickt.«

    Â»Oha«, sagte ich.

    Simon sagte: »Ich habe alle in zweifacher Ausfertigung
ausgedruckt. Falls ihr Langeweile habt.«

    Â»Und hast du …«, hob Nina an.

    Â»Für dich habe ich eine Spiegelung des Systems.« Simon
deutete auf eine externe Festplatte auf seinem Schreibtisch.

    Nina lächelte zufrieden. Sie durchstöberte gerne selbst
die Computer von Opfern oder Verdächtigen, während sie abends zu Hause saß. Ich
vermutete, dass es ihre Art war, Tobias’ Zimmer zu durchsuchen.

    Â»Bei den E-Mails kann man drei große Gruppen bilden,
denke ich. Die erste sind E-Mails in der Heavy-Metal-Szene. Freunde aus Foren,
aus der Band, solche Sachen. Die E-Mails der zweiten Gruppe betreffen
Computerspiele. Diskussionen über LAN-Partys, in seinem Counter-Strike- Team, mit anderen Spielern, in Foren und so etwas.
Die dritte Gruppe sind Sex-E-Mails.«

    Ich fragte: »Was sind Sex-E-Mails?«

    Â»Du meinst Angebote für Viagra oder so? Penisverlängerung?«,
bot Nina an.

    Â»Neee. Ich meine Sex-E-Mails.«

    Â»Aus Partnerbörsen?«

    Simon schüttelte den Kopf. »Schaut doch selbst.« Er öffnete
eine E-Mail. Ein Bild erschien, auf dem eine nackte Frau recht freizügig
posierte. Auffallend war, dass man ihr Gesicht nicht sehen konnte. Das Bild war
auf halber Höhe des Kopfes abgeschnitten.

    Â»Oh«, sagte ich.

    Â»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Nina.

    Â»Das ist eine der Frauen, mit denen Tobias seine Fantasien
ausgetauscht hat.«

    Â»O Mann«, hörte ich mich sagen.

    Â»Was heißt hier ›eine der Frauen‹?«, fragte Nina.

    Â»Er hat das mit drei verschiedenen Damen gemacht.«

    Â»O Mann«, sagte ich wieder. Dabei war ich mir sicher, zum
Mittagessen eine Pizza und keine Schallplatte gegessen zu haben. Ich setzte
mich vorsichtig auf einen Bürostuhl.

    Â»War kein Mann dabei?«, fragte Nina halb im Scherz.

    Simon schaute sie an. »Bis jetzt habe ich keinen entdeckt.
Aber wenn du möchtest, kannst du dir ja die Bilder anschauen, die er von sich
gemacht und zurückgeschickt hat.«

    Â»Ist das denn … Ich meine, ist das denn echt?«, fragte
ich.

    Â»Ich habe das überprüft. Er hatte für jede der drei
Frauen eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet, die er nur für diesen Zweck
benutzt hat.« Simon zeigte auf das Foto auf dem Bildschirm. »Der Kopf ist nicht
zu sehen, der obere Teil wurde vom Originalbild abgeschnitten, bevor es
versandt wurde. Das deutet darauf hin, dass die Person nicht das Risiko
eingehen wollte, ihr Foto im Internet kursieren zu sehen und dabei identifiziert
zu werden.«

    Das leuchtete mir ein. Ich kannte ein paar Kollegen, die
einiges dafür gegeben hätten, ein entsprechendes Foto von Nina zu haben. Ein
solches Foto von mir wurde wahrscheinlich nicht so hoch gehandelt.

    Â»Das deutet darauf hin, dass diese E-Mails echt sind.
Also von echten Frauen.«

    Â»Was ist denn der Inhalt dieser E-Mails?«, wollte Nina
wissen. »Außer Fotos, meine ich.«

    Â»Es ist der Austausch von sexuellen Fantasien. ›Ich bin
so heiß, und wenn du jetzt hier wärst, dann würde ich …‹ So etwas. Immer
illustriert durch Fotos. Dem Inhalt nach zu schließen, kennt Tobias diese
Frauen persönlich. Es gibt immer wieder Anspielungen auf tatsächliche
Begegnungen. So nach dem Motto: ›Wenn wir uns sehen, muss

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