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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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dann wieder das Tal, auf Goethe folgt ein Ulbricht, auf Wolf Biermann ein Kohl und eine fette Merkel. Auf und ab und wieder auf und ab, wie in der Geisterbahn, das versteht jeder.«
    »Alles fließt«, fügte Rob hinzu. »Ein deutsch-deutsches Panta Rhei.«
    »Andere verändern ihr Geburtsdatum, wir verändern einfach den Geburtsort, das ergibt dann eine klasse gepeinigte DDR-Vita. Du bist in Leipzig observiert und eingebunkert worden und ich in –«
    »Karl-Marx-Stadt«, sagte Rob.
    »Und jetzt endlich kommen wir heraus mit unseren ganzen unterdrückten Gefühlen.«
    »Das kann irgendwie auch keiner mehr sehen. Es muss etwas anderes sein, etwas ganz anderes. Etwas, wo die Erfindungshöhe stimmt«, sagte Bastien.
    »Die was?«
    »Die Erfindungshöhe. Nur zu erfinden, das allein reicht nicht, die Erfindung muss gigantisch sein, darum geht’s.«
    »So wie das mit der dicken Farbe, ja?«, sagte Rob. »Du willst die Welt gleich mit erfinden. Die ist aber schon da, ich meine, keiner kommt aus dem Nichts.«
    »Ach was. Eigentlich hat doch keiner wirklich Ahnung.«
    »Wer hat keine Ahnung?«
    »Käufer und so. Die am Ende der Nahrungskette. Der ganze Zirkus findet doch nur für die statt. Die, die den ganzen Quatsch bezahlen. Francos komische Russin ist so blöd wie ein toter Esel, die kauft alles, was einen blauen Hintergrund hat. Man muss es einfach schaffen, darum geht es«, sagte Bastien.
    »Aber wer schafft es schon? Die wenigsten, zwei von hundert, so ungefähr. Und der Rest?«
    »Der geht unter, klar. Ein Ozean voller Untergeher, bester Humus für die, die es geschafft haben. Ich meine, wenn jeder Erfolg hätte, wären die ja nichts Besonderes mehr, oder? Jeder verdammte Star braucht seine hundert Untergeher als Kontrastmittel, mindestens.«
    »OK. Was meinst du, wie viele Bilder macht man so im Leben, insgesamt?«, fragte Rob.
    »Wieso?«
    »Egal, sag mal.«
    »Weiß nicht, vielleicht dreitausend«, antwortete Bastien.
    »Dreitausend. Und wie viele Künstler gibt’s? Ich denke, so rund eine Million derzeit, weltweit, oder? So, dreitausend Bilder multipliziert mit einer Million macht drei Milliarden Bilder. Drei Milliarden Bilder, die keiner haben will, Tonnen an Kunstschrott.«
    »Schlimmer als Atommüll«, fügte Bastien hinzu. »Das könnte man kommunal verbrennen, einmal im Jahr zu Ostern. Alles, was keinen anerkannten musealen Wert hat, muss abgegeben werden und wird öffentlich verbrannt. Oder wird als Rohstoff-Kubus komprimiert in die Erdumlaufbahn geschossen.«
    »Ein neuer Mond«, ergänzte Rob.
    »Ein Trabant der Enttäuschung.«
    »Alles Gescheiterte muss die Erde verlassen.«
    »Und umkreist uns auf unserem Weg durchs Universum.«
    Rob nickte, klar, der Erfolg wäre die Lösung für einfach alles, mit einer Mille auf dem Konto würde Mel sich die Sache bestimmt noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Es ginge nur um Erfolg, das wäre eben das Wichtigste. Die Frage sei nur, womit .
    »Wir lassen die Bilder einfach in der Verpackung. Als Prinzip. Die Verpackung ist die Kunst, das Bild verweigert sich dem Betrachter«, schlug Bastien vor.
    »Gab’s schon«, entgegnete Rob.
    »Ich weiß.«
    »Warum sagst du’s dann?«
    »War ja nur so. Wenn man es irgendwie – anders hängt?«
    »Komm jetzt nicht damit, die Dinger umzudrehen. Gibt’s auch.«
    »Weiß ich. Superplatt.«
    »Das weiß jeder, nur Baselitz nicht. OK, weiter, drehen ist’s nicht. Gelb, grün, blau, rot, schwarz, weiß, violett, klein, groß, komprimiert, verrenkt, verzogen, verzettelt, nass, trocken«, listete Rob auf.
    »Nass hat was. Das Bild könnte vollkommen fluid sein, besteht eigentlich aus nichts Festem mehr«, sagte Bastien nachdenklich.
    »Da bedankt sich Francos Putzfrau. Weiter.«
    »Keine Nassbilder?«
    »Gab’s schon, sagt Francos Putzfrau.«
    »Oder einfach nichts machen«, sagte Bastien düster. »Gute Chancen für die Mega-Gruppenausstellung: Die Einfallslosigkeit. Deutsche Abgründe bis 2013 . Jeder Schlechte macht mit, es gibt nur dieses eine Kriterium.«
    »Hör auf.«
    »Ist doch so«, sagte Bastien und starrte auf den Boden. Das Besondere zu finden, darum ging es; manchmal, dachte er, manchmal war er kurz davor, konnte es fast greifen, dieses Besondere, Einzigartige, das sich dann doch entzog, wie Seife durch die Finger glitschte, immer wieder; und dieses immer wieder schien sich langsam wie ein ausgewachsener Fluch auf seine Arbeit zu legen; auf die verzweifelten Telefonate mit dauerhaft abwesenden Galeristen und

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