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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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euer Applaus für mich ist das Klirren der Dinge, dann, wenn auch die letzte all eurer Hoffnungen wie welkes Glas zerbrochen ist, wenn ihr im Schatten eures Mittelmaßes zu Staub zerkocht, ein ewiger Niemand bleibt, zwischen einer voreiligen Geburt und einem völlig uninteressanten Tod.
    Sie zögerte und las den letzten Satz noch einmal, löschte ihn schließlich wieder, vielleicht ging das zu weit. Sie überlegte und zündete sich eine weitere Zigarette an, eine von mindestens fünfzig, die sie pro Tag rauchte. Der Rauch stieg vor ihr auf und bildete absurde Gestalten, ein dickbäuchiges Monster, ein Marshmallow-Männchen, einen Baum mit knorrigen Ästen, die sich ihr wie die Arme eines Skeletts entgegenstreckten. – Wünschte sie ihren Eltern wirklich das? Es klang so, ja, es ging zu weit, aber war nicht alles eine Frage des Zuweitgehens? Zumindest alles, was gut, neu und damit radikal sein musste? Sie setzte den Satz kurz entschlossen wieder ein, es gab keinen Grund, sich dafür zu schämen. Wenn sich jemand schämen müsste, dann sie – sie, die irgendwo dort, hinter dieser Straße, hinter dieser Stadt, hinter diesem Land, hinter den Hecken ihres Parks, hinter den Mauern ihres Hauses saßen, auf ihren verschissenen Reichtum starrten und penetrant stolz auf das Erreichte waren. Das sagte ihr Vater immer – das Erreichte , in einem Tonfall, als spreche er von einem Klumpen Gold. In diesem Tonfall sprach er auch, wenn er sie einmal wieder davon überzeugen wollte, dass Lyrik eine brotlose Kunst sei, auch selbstverliebt daherkäme, das sei nichts für sie, vor allen Dingen nicht jetzt, so kurz vor dem Staatsexamen. Und natürlich könne sie in keiner Weise davon ausgehen, dass er ihr das mit dieser Hospitanz auch noch finanzieren würde; das Staatsexamen hingegen, ja, natürlich, so viel sie bräuchte, aber nicht das . Sie könnte später ja immer noch, so als Hobby, ein wenig schreiben. Außerdem sei sie doch Paps bestes Kind. Als sein Lächeln dann immer breiter wurde, hatte sie einfach zugeschlagen, mit voller Wucht; seine Nase war gebrochen, und ihre Hand tat noch Tage später höllisch weh, aber es war das Beste, was sie jemals in ihrem Leben getan hatte, so viel war ihr klar. Am selben Tag noch hatte sie ihre drei Sachen gepackt und sich in den Zug gesetzt, hatte auf die unzähligen Anrufe ihrer Mutter nicht mehr reagiert und später nur einen Einzeiler per SMS gesendet: Vergesst mich für immer .
    Danach wurde es stiller, so still, dass sie ihr Handy eines Tages einfach in den Hausmüll schmiss. Es war nicht das Einzige, mit dem sie in ihrem Leben brach, auch ihre Freunde wanderten in diesen Müll des Vergessens, alles wurde zur Frage eines vollkommen gestalteten Zuweitgehens. Es gab nur zwei Dinge, die sie neben ihrer Arbeit tolerierte, ihre Rache und das anonyme Schreiben in einigen Blogs, dann, wenn sie Lust hatte, wieder einmal Schwester zu sein. Die Anonymität gab ihr die Freiheit, sich so zu erfinden, wie sie es wollte, wie sie es aus ihren Träumen kannte. In manchen Communities hatte sie sich durch ihre radikalen Kommentare bereits einen Namen gemacht, wahrscheinlich stellte man sie sich als eine verhärmte Mittfünfzigerin vor, mit einem kantigen Aussehen und stechend schwarzen Augen, Gorgone und Erinnye zugleich.
    An diesem Tag stieß sie, als sie wie üblich ihre Lieblings-Stichwörter Tod, Sterben, Kunst, Literatur und Lyrik eingab, auf einen mehr als naiven Satz, den ein Blogger ihr weitergeleitet hatte: Wer hat Bock auf Tod als Kunst? Ein Satz, der von einem der Halbstarken von der Straße unten stammen konnte, es fehlte nur noch ein ey Mann, ey dahinter, aber aus irgendeinem Grund interessierte sie diese Frage, auch die Zusammenstellung von Lust, Tod und Kunst , das passte nicht zu einem Proleten. Sie tippte einen Satz in das Textfeld der Adresse, die Antwort kam kurze Zeit später: Hör mal, Schwester, vergiss es. War besoffen und es war nur ein Spaß. OK? – Bruder. Also doch nur ein Prolet, sie ließ ein Schade folgen und, aus einer Laune heraus: Auch wenn du physisch nichts draufhast, so kommen dir beim Trinken doch gute Ideen. Du solltest dich öfter kognitiv versenken. S. Seine Antwort überzeugte sie dann nicht sonderlich, und sie wechselte das Programm. Das war vor einigen Tagen.
    Am heutigen Tag fragte sie sich, was ihr halber Prolet in der Zwischenzeit getan haben mochte, vielleicht war sein Spaß inzwischen zu etwas Ernsthaftem geworden, die Frage war es wert. Sie schrieb knapp:

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