Geh Ich Auf Meine Hochzeit
wie eine Karikatur wirken würde, käme Caras neue Errungenschaft in Frage: ein bemerkenswert freizügiges, etwa mittellanges, ärmelloses braunes Etuikleid aus gecrashter, knitterfreier Viskose. Das wiederum war angesichts von Caras Art zu packen, nämlich alles wild durcheinander zu würfeln, von Vorteil.
»Ist das neu?«, erkundigte Evie sich, die ihre Schwester seit Jahren nicht mehr mit einem tiefen Ausschnitt erlebt hatte. Das Kleid würde Cara sicher hervorragend stehen.
»Ja«, erwiderte Letztere. »Ich habe es mir für die Reise gekauft, um einmal mit meinen Gewohnheiten zu brechen und etwas anderes zu tragen. Jetzt bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher. Durch den Ausschnitt kann man bis zu meinem Nabel runterschauen.«
»Sei nicht albern. Es steht dir sicherlich großartig, Cara! Du solltest dich ein wenig mehr zeigen. Ich bin froh, dass Ewan dich auf diese Art beeinflusst, denn ich hasse deine schlabberigen Militärhosen.«
Cara wollte sich nicht in ein Gespräch über Ewan verwickeln lassen. »Probiere du es einmal an«, drängte sie. »Bei mir hat es eine etwas eigenartige Länge, aber an dir wird es vermutlich perfekt sitzen.«
Das Kleid hatte nicht die schmeichelhafteste aller Farben, die Evie jemals getragen hatte, denn die Kombination von braunem Kleid mit braunem Haar war etwas zu schokoladig - wenn man es nicht gerade darauf abgesehen hatte, wie ein Eclair auszusehen. Doch es passte: spannte genau an den richtigen Stellen, betonte ihre schmale Taille, fiel über die Hüften und umspielte ihre Waden.
»Das hätten wir«, meinte Cara. »Schuhe kann ich dir leider nicht borgen.« Sie streckte einen ihrer Füße in Größe einundvierzig von sich.
Eine Viertelstunde später balancierte Evie in einem Paar Schuhe daher, die Cara beim ersten Anblick als »Rosies-nimm-mich-Sandalen« bezeichnet hatte.
»Sie macht nur Spaß, Mama«, beeilte sich eine erblasste Rosie zu erläutern, ehe sie ihrer Tante einen bitterbösen Blick zuwarf. »Sie sind jetzt modern, alle Welt trägt sie.«
Dann muss alle Welt unter Hühneraugen leiden, dachte Evie nach kaum fünf Minuten. Es fühlte sich an, als ob Schuhkartons mit Stacheldraht an ihren Füßen befestigt worden wären. Doch sie sahen sehr schick aus und waren zehnmal angemessener als die beigen Reisetreter von vorher. Nachdem sie jede Menge von Olivias teurem Lancome-Lidschatten aufgetragen und sich Rosies Fön ausgeliehen hatte, fühlte Evie sich zu allem bereit.
Als sie jedoch das Ristorante Regina betrat, wich all die Selbstsicherheit, die sie auf dem Weg von Malaga nach Puerto Banus angesammelt hatte, jählings von ihr. Der noble Stil, die Extravaganz und die scheinbar mühelose Eleganz der anderen weiblichen Gäste erweckten den Eindruck, als ob sie allesamt eben gerade aus einem Schaufenster von Versace gestiegen und noch einen Sprung bei dem Juwelier Bulgari vorbei gemacht hätten. Augenblicklich fühlte sie sich vollkommen fehl am Platz.
Bei den Männern verhielt es sich nicht anders, sie waren ebenfalls höchst exklusiv gekleidet. Max bildete hier keine Ausnahme - in seinen grauen Hosen und dem cremefarbenen, seine Bräune unterstreichenden Polohemd sah er sehr attraktiv aus. Rosie fiel in ihrem grellroten Minikleid äußerst positiv auf, Cara wirkte in den schwarzen Armeehosen und einem ins Auge stechenden seegrünen Shirt zwar etwas burschikos; ihre Haare hingen ihr jedoch den Rücken hinunter wie bei einem Mädchen auf einem Gemälde der Präraffaeliten. Sich selbst empfand Evie dagegen als hässliches Entlein mit unauffälligem braunen Federschmuck. In ihrem Zimmer war es ihr ganz passabel erschienen, weder besonders umwerfend noch wirklich grausig.
Jetzt aber hätte sie in die nächstbeste Boutique laufen, ihre Kreditkarte auf den Tisch knallen und bellen mögen: »Finden Sie etwas Passendes, was ich anziehen könnte! Die Kosten sind mir vollkommen gleichgültig!« Und dann hätte sie Caras Gewand im nächstbesten Mülleimer entsorgt.
Zur Krönung des Ganzen lag ihr Tisch nicht in einer schummrigen Ecke, wo Evie sich hinter einer Pflanze hätte verstecken oder doch zumindest mit dem Hintergrund verschmelzen hätte können. Nicht doch! Sie wurden zu einem Tisch in der Mitte des Restaurants geführt - im Blickfeld all dieser Paradiesvögel.
Evie kam sich vor, als hätte sie Kopfläuse und jeder sähe es. Sowie sie auf ihrem Stuhl Platz genommen hatte, breitete sie die pfirsichfarbene Leinenserviette auf dem Schoß aus. Am liebsten
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