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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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sind?«, sagte er. »Wir sind zwei rauschgiftsüchtige Schwule und Diebe. Wenn wir es uns gegenseitig besorgt haben, werfen wir was ein und ficken Adriana. Und jetzt wollen wir sie hier rausschaffen und als Sklavin verkaufen.«
    »Finden Sie, mein Büro ist der richtige Ort für solche Scherze?«, fragte der junge Arzt schneidend.
    »Ich finde nur, dass Ihre Einstellung verdammt dumm ist«, konterte Jouni ebenso schneidend.
    »Wir haben mit Addi g-gesungen«, warf Ariel ein. »Wir haben sogar eine Platte aufgenommen. Vor d-drei Jahren.«
    »Gesungen, sagen Sie«, meinte Tammelin nachdenklich. »Und eine Platte gemacht?« Er blätterte in einer Krankenakte, die vor ihm auf dem Tisch lag, und ließ den Zeigefinger auf und ab wandern, bis er gefunden hatte, was er suchte. »Ja, sie singt manchmal leise vor sich hin. Ich habe ihr gesagt, dass sie das öfter tun soll. Dass sie keine Angst davor haben soll, was die anderen Patienten sagen.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schaute zur Decke, als hoffte er, dort Kraft und Orientierung zu finden. Dann sagte er: »Dann mal los. Aber ich möchte, dass Sie ein Formular unterschreiben. Und von Ihnen« – er nickte an Ariel gewandt – »möchte ich als angeblichen Verwandten von ihr den Ausweis sehen.«
    »Den h-habe ich nicht«, sagte Ariel. »Nicht bei mir.«
    »Ariel ist gerade aus Stockholm zurückgezogen«, erklärte Jouni dem Arzt entschuldigend. »Erlauben Sie, dass ich …« Er hielt dem Arzt seinen Führerschein hin, der resigniert nickte.
    Sie fuhren den ganzen Tag in Jounis Fiat durch die Gegend. Die einzelnen Fahrten waren kurz, Adriana saß auf dem Beifahrersitz, Ariel hockte auf der engen Rückbank. Die Aufenthalte fielen umso länger aus, und nach einer anfänglichen Befangenheit wurde die Stimmung wärmer, je länger der Tag fortschritt. Plötzlich war sie wieder gegenwärtig, diese Vertrautheit, die sie vor langer Zeit besessen, dann aber verloren hatten. Doch in dieser Wärme schwang noch etwas anderes mit, vielleicht eine Wehmut, weil sie wussten, dass sie alle bereits Schläge hatten einstecken müssen, und ihnen klar war, dass weitere hinzukommen würden.
    Sie fuhren zu ihrem alten Probenraum in der Skeppsredaregatan, der inzwischen zu einer Druckerei gehörte. Die Besitzer waren Hippies und ließen sie umstandslos herein, damit sie sich umschauen konnten. Es war eine kleine Druckerei namens Kolmas Kivi, Dritter Stein, und die Veröffentlichungen richteten sich an ein schmales Publikum: Man wollte gerade ein amerikanisches Pamphlet namens »The Space Hoax« drucken, das man in Windeseile übersetzt hatte und in dem behauptet wurde, die kürzlich erfolgte Mondlandung habe es nie gegeben. Ehemals wilde Katzen, die man von der Straße gerettet hatte, schliefen in allen Ecken des Raumes. Sie lagen wohlig träge ausgestreckt, der Geruch von Katzenpisse durchwehte die gesamte Druckerei.
    »Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein«, sagte Jouni zu den Druckereibesitzern, drei langhaarigen Männern in schmutzigen Jeans und mit nackten Oberkörpern. Sie ähnelten Ariel, fanden sowohl Jouni als auch Adriana, und sie warfen sich verstohlene Blicke zu: Die Ähnlichkeit entstand sicher durch die extreme Magerkeit.
    »Wir wissen , dass es so ist«, erwiderte einer der hageren Männer. »Es wurde alles in einem Hollywood-Studio gedreht. Selenes Oberfläche ist immer noch jungfräulich, und die irregeleiteten Kinder des Abendlandes wissen nichts, weder über ihre dunkle noch ihre helle Seite.«
    »Warum tragt ihr keine Hemden?«, fragte Adriana. Sie hatte während des ganzen Besuchs abwesend gewirkt, als erinnere sie sich kaum, dass sie an diesem Ort einmal unzählige Nachmittage, Abende und Sonntagmorgen verbracht hatte.
    »Wir lassen die positive Strahlung aus dem Kosmos in unsere Körper strömen«, sagte einer der Mageren ernst. »Sie bildet ein notwendiges Gegengewicht zur starken atomaren und elektrischen Strahlung auf der Erde.«
    »Okay«, sagte Jouni und begann, Ariel und Adriana behutsam aus dem Raum zu drängen. Er hatte gesehen, dass es in den Augen der beiden zu glimmen begann.
    Als sie anschließend Richtung Berghäll fuhren, erzählte Jouni Ariel alles, was im Musikleben passiert war, und Adriana ergänzte seine Angaben: Sie war erstaunlich gut informiert. The Bukka Men hatten sich aufgelöst, und es ging das Gerücht, dass Jugi Eskelinen nach England ziehen und dort ein Stargitarrist werden wolle. Alex Karjagin hatte Instinct verlassen und war

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