Geh nicht einsam in die Nacht
zu einem großen Mädchenschwarm geworden, und die Nummer eins der Single-Hitliste war Kari Kuoppa, dem Adriana in Las Palmas begegnet war. Folkgruppen und Liedermacher waren völlig abgemeldet, und Morning Crowd hießen inzwischen Cahuitl und hatten ein Album mit jeweils einer zwanzigminütigen Komposition auf jeder Seite veröffentlicht.
»Schöner Name«, murmelte Ariel, »was er wohl bedeutet?«
»Es ist ein Begriff aus der Maja-Sprache«, sagte Adriana. »Er bedeutet ungefähr das Gefühl von Zeit, die verstreicht.«
Ariel kostete den exotischen Namen noch einen Moment, dann fragte er: »Und St-Stenka ist auch noch im Geschäft?«
»Ja, klar«, antwortete Jouni und lächelte säuerlich. »Er managt Karjagin und Kuoppa. Cahuitl würde er dagegen wohl nicht einmal mit der Kohlenzange anfassen.«
Ariel sah Adriana scheu an und fragte: »Und d-du und er, s-seid ihr …?«
Adriana antwortete kurz: »Oh nein. Ich treffe ihn nicht mehr.«
Sie schauten bei Elina Manner vorbei. Elina wollte sie zum Kaffee einladen, und sie blieben mit ihren Tassen lange im Sonnenlicht auf ihrem Balkon sitzen und schauten zu, als die Bagger auf das frühere Mannersche Zuhause losgingen, und Adriana dachte, dass sie niemals hatte sehen dürfen, wie Jouni und seine Familie dort wohnten.
Nach dem Besuch bei Elina fuhren sie zum Hagnäs torg und parkten den Fiat in einer Seitenstraße. In einem Supermarkt kauften sie alkoholarmes Bier und riesige Fleischpirogen, und Jouni ging ins Kaufhaus Elanto und besorgte eine Decke, und sie legten sich auf dem Rasen am Ufer in die Sonne.
»Wie lange das alles her ist«, sagte Adriana. Sie zeigte auf einen kreisförmigen Bürokomplex aus dunklem Glas und fragte: »Seit wann steht das denn da?«
»Seit letztem Jahr«, antwortete Jouni und wandte sich an Ariel: »Da siehst du es, Ari, du hättest nie nach Schweden abhauen dürfen, wenn Addi uns nicht hat, kommt sie nie in unseren Teil der Stadt.«
Ariel machte ein ernstes Gesicht und sagte: »Das war ich nicht. D-Du wolltest uns auflösen.«
Uns auflösen . Die Worte fühlten sich an wie ein Messerstich, es lag Trauer in ihnen, und dieser Trauer wollte Jouni sich nicht stellen. Also wechselte er das Thema und sagte leichthin:
»Ist es nicht unglaublich, dass mein Bruder auf die Polizeihochschule geht? Er wird tatsächlich ein Bulle.«
»Oskari?«, sagte Ariel ungläubig. »Der kleine Oskari wird Bulle?«
»Allerdings«, antwortete Jouni.
»Ach du Scheiße«, sagte Ariel verblüfft. »Hier f-fällt der Apfel wahrlich weit vom Stamm, oder wie immer man es ausdrücken will.«
»Sag das nicht«, meinte Adriana. »Du weißt nicht, in welchen Kreisen Jouni mittlerweile verkehrt. Er ist sogar auf einem Kinderfest bei Urho gewesen.«
»Ach, das war doch nichts Besonderes«, sagte Jouni. »Da haben alle nur gesoffen.«
»Ihr meint Präsident K-K-Kekkonen?«, sagte Ariel. »Im Ernst?«
»Ja, im Ernst«, sagte Jouni, »aber wie gesagt, es war nicht der Rede wert.« Er fragte sich, wie Ariel und Adriana reagieren würden, wenn er ihnen erzählte, dass er mit dem Präsidenten einmal Hechthackschnittchen gegessen und sich über Mannerheim und Kosygin und Hangö unterhalten hatte. Es hatte nicht vor, es ihnen zu erzählen.
»Warum gibt es deine Sendung nicht mehr?«, erkundigte sich Ariel.
»Schlechte Resonanz«, sagte Jouni. »Sinkende Zuschauerzahlen. Mein Chef meinte, dass ich die Leute nicht erreiche.« Er zuckte mit den Schultern und fuhr fort: »Ich bin gescheitert. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Jetzt reden wir über etwas anderes.«
»Du hast die Zuschauer eingeschüchtert«, sagte Adriana. »Du hast viele Seiten, aber im Studio wurde nur eine sichtbar.«
»Wie gesagt, Addi«, erwiderte Jouni hart. »Wir reden über etwas anderes.«
Als sich die Sonne senkte, fuhren sie in den Brunnspark, gingen die große Allee hinab und auf die Wälle hinauf. Jouni und Ariel machten unbeholfene Versuche, die Werbeposen aus der Fotosession ein paar Jahre zuvor zu parodieren, aber Adriana lachte nicht.
Am höchsten Punkt setzten sie sich hin und blickten auf die vorgelagerten Inseln Sveaborg und Stora Räntan und das Meer hinaus.
»Spielst du überhaupt noch?«, löcherte Adriana Ariel. »Schreibst du Lieder?«
»Im Moment nicht«, antwortete Ariel. »Und Lieder schreibe ich gar keine mehr.«
»Das ist wirklich schade«, sagte Adriana und ergänzte freundlich: »Das kannst du nämlich gut.«
»Ich habe nichts zu sagen«, erklärte Ariel, »aber
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