Geh nicht einsam in die Nacht
kam jeden Mittwochnachmittag zwischen vier und fünf zu mir nach Hause, wir saßen eine Stunde in meinem Zimmer und arbeiteten diszipliniert. Pete ist immer streng gewesen, schon damals, er gab mir sogar Übungsaufgaben auf. Er wurde jedes Mal bezahlt, bekam sieben Mark und fünfzig Pfennig in bar. Normalerweise gab Leeni ihm das Geld, Henry war so früh fast nie zu Hause.
Pete spielte bereits in mehreren Bands. Er, Jami Johansson und Lare Nisonen bildeten ein Hardrocktrio, das im Stationsvägen 20 in einem Kellerraum probte, außerdem spielte er in einer Schülergruppe mit, die der Musiklehrer seiner Schule, Kantor Pyykkö, ins Leben gerufen hatte. Pete hatte seine Maya auf Raten gekauft, der Lohn für die Unterrichtstunden sollte seine Raten begleichen. Einem anderen Plan zufolge würde ich so gut werden, dass wir gemeinsam eine Band gründen konnten. Anfangs waren wir Feuer und Flamme. Noch im Frühjahr und Vorsommer 1975 nahmen wir manchmal unsere akustischen Gitarren auf den Rosari mit und saßen dort und jammten, bis sich nach und nach die Gang versammelte und die ersten Flaschen klirrten. Dann verlor Pete jedoch die Lust, was an mir lag: Ich machte keine Fortschritte, ich wurde einfach nicht besser darin, den Rhythmus zu halten oder Melodien und Soli zu spielen. Pete gab mir immer leichtere Stücke auf, aber es nützte alles nichts. Nichts wollte mir gelingen, nicht einmal Tom Dooley oder das alte Apache von den Shadows klang richtig bei mir. »Ich weiß nicht, was mit dir los ist«, sagte Pete, »ich sehe doch, dass du es versuchst, aber es kommt nur Geklimpere und Krach dabei heraus.« Am Ende beschlossen wir gemeinsam aufzugeben, es war uns wichtiger, unsere Freundschaft zu bewahren, und Pete hörte auf, zu uns zu kommen und seine siebenfünfzig zu kassieren, Geld, wegen dem er zu allem Überfluss ein schlechtes Gewissen gehabt hatte: Da sein Schüler keine Fortschritte machte, fand er nicht, dass er seinen Lohn verdient hatte.
Ich versuchte, auf eigene Faust weiterzumachen, erkannte aber mit der Zeit, dass ich nie ein guter Gitarrist werden würde. Ich hörte nicht ganz auf, beschränkte mich aber auf die Akkorde, die ich beherrschte, und spielte immer seltener. Und trotz all des guten Willens auf beiden Seiten hatte die Freundschaft zwischen mir und Pete wohl doch unter diesen Unterrichtsstunden gelitten. Damals gründete Pete eine Band nach der anderen, so dass es mir zeitweise so vorkam, als würde er mindestens eine Gruppe im Monat ins Leben rufen. Manchmal bildete er eine Band mit Typen wie Ride Suikkanen und Klasu Barsk, die ihre Instrumente – Keyboard und Bass – mindestens genauso schlecht beherrschten wie ich meins. Als ich Pete darauf ansprach, antwortete er vage und ausweichend und murmelte, Ride und Klasu hätten die richtige Einstellung. »Was heißt denn hier Einstellung«, platzte ich beleidigt heraus, »erklär mir, worum es geht, damit ich die Chance habe, meine zu verbessern!« Daraufhin wurde Pete noch verlegener und meinte, Einstellung sei wie Charisma, sie sei nichts, was man lehren oder lernen könne, entweder habe man sie oder man habe sie nicht.
Unsere Freundschaft erholte sich erst, als Pete erkannte, wie gut ich in Englisch war. Danach durfte ich Songtexte schreiben, denn das konnte keiner der Jungs vom Stationsvägen. Jahrelang schrieb ich Texte für sie, und als ich aufs Gymnasium ging, hatte ich schon genügend Abstand zu meinem Gitarrenfiasko und konnte zu Hause sogar darüber scherzen. Leeni sah, dass ich die Texte handschriftlich notierte, und von da an durfte ich mir ihre ausgemusterte Facit-Schreibmaschine leihen, und sie erfuhr, was ich da trieb. In einem Winter zeigte ich ihr einige meiner Texte, ich glaube von Dark Storm Ahead und Postcard From Bus Number Forty-Nine , und sie schlug Änderungen vor, die beide Lieder straffer und eleganter machten. Ich weiß noch, dass ich bei der Gelegenheit eine ironische Bemerkung über den gescheiterten Gitarrenunterricht ein paar Jahre zuvor machte und Leeni daraufhin irgendwie erstaunt wirkte, was wiederum mich erstaunte. »Ja, es ist merkwürdig, dass du so unmusikalisch bist«, sagte sie zerstreut. Leeni hatte im Studium in einem Frauenchor gesungen, ich war damals klein gewesen, und sie erzählte oft, dass sie mich zu den Proben mitgenommen hatte und wie brav ich in meinem Wagen geschlafen hatte, während der Chor sang. Ich wusste natürlich auch, wie leidenschaftlich Henry seine Country- and Western-Musik liebte, fand
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