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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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Monaten Jugendhaft verurteilt, und danach waren sie nie mehr nach Tallinge zurückgekehrt.
    Im Herbst vierundsiebzig, als Pete und seine Gang übernahmen, waren die Kräfte von Makes Gang bereits erschöpft. Es erscheint einem idiotisch, es so zu formulieren, denn Make und seine Freunde waren erst achtzehn, neunzehn Jahre alt. Aber sie tranken täglich Bier und Schnaps und rauchten Gras und warfen Pillen ein und waren bei alten Platten von Black Sabbath und Colosseum hängen geblieben und hatten für nichts anderes mehr Energie. Als sich im November endgültig die herbstliche Dunkelheit und der Nebel herabsenkten, gab Makes Gang den Rosari kampflos auf, so dass es nie zu einem Kräftemessen zwischen den Brüdern Everi kam, Make, Pot-Pesonen und die anderen marschierten gehorsam zum Einkaufszentrum und schlugen ihr Lager stattdessen in der Kneipe Männynlatva auf, immerhin waren sie fast alt genug und alle im Besitz gefälschter Papiere, die sie mit einem Augenzwinkern Tölpel-Hakala vorlegten, dem riesenhaften und gutmütigen, aber nicht sonderlich hellen Türsteher der Wirtschaft. Und dort blieben sie dann, Make, Pot-Pesonen und viele andere, sie kamen nie mehr los vom Männynlatva. Aber das ist eine andere und ziemlich tragische Geschichte.
    Auf die Sache mit den Ortsnamen gehe ich wohl am besten jetzt ein. Auf der einen Seite der Eisenbahnlinie gab es also die Hochhaussiedlung. Und dann gab es das Einkaufszentrum Tallinge mit Supermärkten und Helanens Lampenladen und einen Zeitschriftenhandel und einen Herrenfriseur und den Damensalon Marketta und das Chemikaliengeschäft Maire, und schließlich die Banken: die Nationale Aktienbank, die Finnische Arbeitersparkasse, die Sparkasse Helsingfors und die Postbank. Darüber hinaus gab es einen staatlichen Alkoholladen und natürlich das Männynlatva. Außerdem eine Würstchenbude, an der nachts hungrige Betrunkene Schlange standen, wenn das Männynlatva seine Pforten schloss, bis es unweigerlich zu Streit und Schlägereien kam: Häufigster Auslöser war, dass jemand seinen Platz in der Schlange verlassen musste, um pinkeln zu gehen. Wenn er zurückkehrte, behaupteten die anderen, dass er dort gar nicht gestanden hatte, und forderten ihn auf, sich ganz hinten anzustellen und das Maul zu halten.
    Auf der anderen Seite der Eisenbahnlinie lag ein Areal mit steil aufsteigenden Felsen, das auf alten Karten den Namen Ormberget, Schlangenberg, trug. Es waren mächtige Felsen, und die höchsten Kuppen lagen auf einer Höhe mit den Hochhäusern auf der anderen Seite der Gleise. Es gab mehrere senkrechte Abgründe, und wenn man bedenkt, wie da oben gesoffen und Drogen konsumiert wurden, grenzt es an ein Wunder, dass erst in den Achtzigerjahren jemand abstürzte.
    Die erste Generation von Jugendlichen in Tallinge – Pete Everis älteste Geschwister Juha und Minna gehörten dazu – hatten sich überhaupt nicht für die Felsen interessiert, sie stiegen niemals hinauf und gaben der Anhöhe auch keinen Spitznamen. Make Everi und seine Freunde hatten den Schlangenberg dagegen für sich beansprucht. Irgendwann Ende der sechziger Jahre fingen sie an, dort oben Bier zu trinken und Gitarre zu spielen, vorzugsweise im Sommer. Aber auch im Winter wurde der Schlangenberg für alles Mögliche genutzt, seine steilen Böschungen wurden in Rodelhänge umfunktioniert, und der steilste von ihnen bekam Schneewälle, woraufhin der Hang mit Wasser besprüht wurde und zu einer gefährlich schnellen Eisrinne für die Waghalsigsten wurde.
    Einer der Hänge unterschied sich von den anderen. Er hatte in der Mitte einen zusätzlichen Absatz, einen zwei Meter hohen Felsblock, der nicht in den Steilhang eingekeilt war und so eine perfekte Rampe für jemanden bildete, der skispringen wollte. Nach der Landung führte der Hang bis zum Eisenbahnzaun hinunter, wo er abflachte, ohne dass der kleinste Baum oder Strauch im Weg stand. Der Felsblock wurde die Schanze getauft. Im Winter wurden dort improvisierte Wettkämpfe organisiert, und im Sommer war die Schanze perfekt geeignet, um sich an den Fels zu lehnen, wenn man sauren Wein trank, Kassetten hörte und rauchte, was man eben so rauchte.
    Bei einer solchen Gelegenheit verspürte Pesonen, Make Everis Freund seit dem ersten Schuljahr, ein natürliches Bedürfnis, nachdem er binnen einer knappen halben Stunde ein Haschpfeifchen geraucht und sich eine Flasche Liebfrauenmilch hinter die Binde gekippt hatte. Pesonen wankte ein Stück die Böschung hinunter, um Wasser

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