Geh nicht einsam in die Nacht
Pete rauchte rote Nortti ohne Filter, und Eva rauchte Form, und wir tranken herben, selbstgekelterten Wein, den Pete dem Vater eines Kumpels abgekauft hatte, und im Laufe der Zeit, wenn der Rausch stärker wurde, hatten wir keine Lust mehr, an den Liedtexten zu feilen, und ließen unserer Unterhaltung freien Lauf. Und wenn ich dann zu meinem Saunazimmer gegangen war und in der hellen Frühlingsnacht oder im schwarzen, heulenden Grab des Herbstes allein war, kam es vor, dass Petes Gesicht mir deutlicher vor Augen stand als Evas. Ich stand ihm näher als ihr, so sollte es noch einige Zeit bleiben, und manchmal, wenn ich in dem zugigen Saunavorraum lag und an Eva und Pete im Haus dachte, hatte ich das Gefühl, in beide verliebt zu sein. Der Gedanke gefiel mir nicht, und noch weniger gefiel mir, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte. Ich versuchte, mich damit zu trösten, dass es nichts zu sagen hatte, dass es bloß ein weiteres anstrengendes, aber vorübergehendes Kapitel im Unglücklichen Lebensbuch schlecht verlöteter Jungen war.
Eva Mansnerus und Pete Everi ähnelten sich in einem wichtigen Punkt. Sie waren Menschen, die auffielen. Wenn Eva oder Pete einen Raum betraten, reagierte man. Wenn einer der beiden sprach, hörte man zu. So gesehen waren sie Siegertypen oder kamen einem zumindest so vor. Wenn sie gemeinsam in ein Zimmer kamen, umwehte sie ein Hauch von Das perfekte Paar , aber ohne Barbie-und-Ken-Alarm: Beide sahen gut aus, aber innerlich waren sie eigensinnig und ungeschliffen, und das schimmerte durch.
Eva und Pete hatten noch etwas gemeinsam. Sie waren Menschen, die ihre eigenen Wege gingen, ihre Entscheidungen selbständig trafen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie andere darauf reagieren würden. Mit den Jahren habe ich gelernt, dass man diese Qualität bei den verschiedensten Menschen finden kann, sie ist weder an eine Gesellschaftsschicht noch eine Lebensanschauung oder anderes gebunden. Aber damals, in meiner Jugend, erstaunte es mich, dass Eva und Pete sich so ähnlich sein konnten, obwohl sie aus derart verschiedenen Milieus stammten.
Beide hatten die nötige Stärke, um in einer Weise zu agieren, die bei Eltern und Geschwistern Anstoß erregte. Ihre nächsten Angehörigen waren überrascht und manche auch verärgert darüber, dass sie zusammen waren, aber Pete und Eva zuckten nur mit den Schultern. Ich bin mir nicht sicher, was Veikko Everi davon hielt, dass sein Pete mit einem Mädchen aus der Eigenheimsiedlung ging. Petes Vater war immer freundlich und guter Dinge, wenn er Eva begegnete, aber es war schwierig, seine verborgensten Gedanken zu lesen. Sie lagen hinter einer dicken Mauer allgemeiner Liebenswürdigkeit verborgen. Unübersehbar war dagegen, dass Petes ältere Geschwister Eva nicht mochten. In den Jahren, die sie und Pete zusammen waren, lernte sie alle – Juha, Minna, Make – kennen, aber ihr Umgang miteinander blieb kühl. Nur das Nesthäkchen Suski betrachtete Eva mit Augen, die vor Bewunderung leuchteten. Abgöttisch verehrte sie Evas Schönheit und wollte so werden wie sie, das sah man.
Es war nicht weiter verwunderlich, dass die älteren Geschwister negativ auf den Wohlstand und die Sorglosigkeit reagierten, die sie mit Menschen wie Eva verknüpften. Die späten siebziger Jahre gingen nicht sehr sanft mit Familie Everi um, und die schöne Freundin des zweitjüngsten Pete muss wie ein grotesker Kontrapunkt, ein höhnisches Gegenbild gewirkt haben, durch das noch deutlicher hervortrat, wie hart das Leben mit den anderen umsprang. Petes ältester Bruder Juha war zwar ein zäher Bursche, aber die junge, extrem linke Bewegung, in der er aktiv war, verlor allmählich an Schwung, und Juha hatte sein Studium der Volkswirtschaft viele Jahre vernachlässigt: Die Politik hatte all seine Zeit in Anspruch genommen. Für die Schwester Minna lief es noch schlechter. Auch sie hatte einen Studienplatz ergattert, jedoch den Fehler begangen, mit einem Mann zusammenzuziehen, der krankhaft eifersüchtig war und sie schlug. Der mittlere Bruder Make und seine Freundin Taru waren arbeitslos. Sie saßen jeden Abend im Männynlatva, und in ihrer Wohnung wurde oft weitergefeiert, wenn die Kneipe zumachte. Make und Taru nahmen Pot-Pesonen und die anderen Stammgäste mit nach Hause, und wer zufällig vorbeikam, konnte erdige Musik hören und hinter den Vorhängen Silhouetten schwanken sehen, bis die ersten morgendlichen Fahrten der nagelneuen S-Bahn blasse Büroangestellte und
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