Geh nicht einsam in die Nacht
schieben, was nicht völlig aus der Luft gegriffen war, denn ich wartete gerade auf mein Testergebnis und hatte tatsächlich Angst. Aber es war auch nicht die ganze Wahrheit.
Eva versuchte, sich zu beherrschen, obwohl ich sie Idiot genannt hatte. Sie erklärte, dass sie durchaus Vorsicht walten lasse, sie nehme zwar immer noch die Pille, bestehe aber trotzdem immer auf einem Kondom. Daraufhin explodierte ich erneut:
»Kondom, bei wem denn? Bei mir jedenfalls nicht! Für wie dumm hältst du mich eigentlich?« Ich holte tief Luft und schloss mit einem rasenden: »Und warum! Warum zum Teufel drei Stück!«
»Und wer spielt jetzt hier den Dummen? Weil ich es spannend und schön finde natürlich! Im Moment brauche ich es eben, mit mehreren zu schlafen.«
»Du bist doch echt nicht mehr ganz dicht!«, schrie ich. »Du bist ja total irre!«
Eva ertrug es nicht, wenn man so etwas sagte, Adrianas Krankheit hatte tiefe Spuren in ihr hinterlassen. Eine Sekunde später war der Streit in vollem Gange, Eva belegte mich mit allen möglichen Schimpfworten, und ich war keinen Deut besser und nannte sie unter anderem eine Hure. Aber sie behielt das letzte Wort:
»In einem Punkt kannst du dir jedenfalls sicher sein! Ab heute schlafe ich nur noch mit zwei Männern. Jetzt rate mal, wer wegfällt!«
* * *
Eva hielt Wort. Wir trafen uns zwar weiter, aber meistens bei Festen und ähnlichen Anlässen. Wir unterhielten uns, manchmal sogar lange und intensiv. Leute, die von unserer Beziehung wussten, Jinx Muhrman zum Beispiel, glaubten vermutlich, dass alles beim Alten war. Aber Eva und ich hatten Schluss gemacht, wir rührten uns nicht mehr an.
Ich nahm es mit größerem Gleichmut hin, als ich erwartet hatte. Wir waren ja keine Kinder mehr, im Sommer wurde ich vierundzwanzig und Eva siebenundzwanzig. Im Vorsommer, als wir uns zufällig im Pavillon des Segelclubs auf der Insel Skifferholmen begegneten, konnten wir schon wieder darüber lachen, was passiert war. Wir schlichen uns mit unseren Drinks auf die Felsen hinaus, obwohl das eigentlich verboten war, und unterhielten uns dort noch lange, nachdem wir unsere Gläser geleert hatten. »Ich habe dich eine Hure genannt!« »Und ich dich Spermahirn und Chauvinist!« Wir lächelten uns an, als wollten wir unterstreichen, dass dieses kindische Benehmen ein abgehaktes Kapitel war und wir eine neue Stufe der Reife erreicht hatten. Aber ich spielte Theater, denn ich hätte sie da und dort gerne gehabt, und insgeheim sehnte ich mich weiter nach ihr.
Im Sommer begannen Jouni Manner und ich, gemeinsam auszugehen, er lud mich großzügig ein. Ich hatte zu den ersten drei Nummern von KYVYT wichtige Reportagen beigesteuert und wusste, dass Manner Gefallen an mir gefunden hatte. Er gab mir häufig Ratschläge, wie ich schreiben sollte, um noch treffsicherer, noch besser zu werden. Darüber hinaus erzählte er mir mittlerweile Anekdoten aus seiner Zeit als Politiker, er erzählte sogar von der Zeit seines Durchbruchs als Moderator des Jugendmagazins Poparena! Dagegen erwähnte er mit keinem Wort, dass er gesungen hatte und Mitglied eines Trios gewesen war. Und ich, ich wartete auf den richtigen Zeitpunkt.
Wir waren uns gegenseitig von Nutzen. Manner hatte Stammlokale gehabt, die es nicht mehr gab oder völlig out waren. Er wusste nicht, wo man im Helsingfors der achtziger Jahre Frauen finden konnte, und begleitete mich deshalb gerne ins Happy Days und Café Metropol, und man merkte, dass er sich nach etwas Neuem sehnte. Unsere gemeinsamen Abende begannen damit, dass wir in einem teuren Restaurant wie dem Bellevue oder dem Saslik aßen. Manner übernahm die Rechnung, und anschließend durfte ich vorschlagen, wohin es gehen sollte. Wir waren beide Junggesellen, und trotz seines Übergewichts und eines Rufs, der durch seine Scheidungen und die unbarmherzigen Enthüllungen seiner Ex-Frau Tuulikki in der Presse gelitten hatte, war es für Manner kein Problem, eine Begleiterin zu finden. Es war eher umgekehrt: Sein heruntergewirtschaftetes Renommee schien wie eine Art Fliegenpapier zu wirken, denn an manchen Abenden hatte er die freie Wahl. Außerdem war er eigentümlich alterslos und schnappte mir mehrfach eine hübsche junge Frau meines Alters vor der Nase weg. Plötzlich war er einfach da und tanzte besser und machte eleganter Konversation als ich, und die junge Frau schmolz dahin, obwohl sie eigentlich kein Interesse an älteren Männern hatte. Wenn das passierte, ärgerte ich mich über Manner. Ich
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