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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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fast stechend. Adriana wandte sich ertappt ab und blickte nach Westen, Richtung Hamppardalen und zu den ersten Häusern Djurgårdens. Der Nachmittag ging allmählich in den Abend über. Das Wasser der Djurgårdsviken lag spiegelglatt, das Gewerkschaftshaus war verwaist und still, von den Wäscheleinen der Häuser in Hamppardalen wehte der Duft sauberer Laken heran, und im Norden, hinter der bereits abendlich stillen Baustelle, führte der steile Anstieg der Broholmsgatan zur Kirche von Berghäll hinauf. Adriana wandte ihr Gesicht der Sonne zu, schloss die Augen und merkte nicht, dass Ariel sie beobachtete. Ariel musterte ihre sonnengebräunten Füße und Beine, die unter dem purpurfarbenen Rock herauslugten. Es war ungewöhnlich, Adriana in einem solchen Rock zu sehen, überlegte er, er sah teuer aus, wahrscheinlich musste sie ihn bei der Arbeit tragen und hatte keine Zeit mehr gehabt, sich zu Hause umzuziehen. Sie darf im Freien arbeiten, schoss ihm durch den Kopf, aber er verscheuchte seinen Neid. Adriana arbeitete in diesem Sommer als Fremdenführerin, sie stand in Sightseeing-Bussen und -Booten und erzählte auf Englisch und Deutsch von Helsingfors und belegte darüber hinaus Sommerkurse an der Universität. Ariel arbeitete dagegen als Verkäufer in Westerlunds Musikgeschäft an der Norra Esplanaden, was für jemanden, der Musiker werden wollte, eigentlich ein Traumjob war. Es grämte ihn nur, dass er den ganzen Tag drinnen bleiben und eine Krawatte tragen musste.
    Die Heilsarmee war zur Stelle. Drei Frauen, dunkelblaue Uniformen, hoch gerundete Hüte mit roter Krempe, einer von ihnen hatte eine Kokarde. Eine Frau spielte Gitarre, die beiden anderen sangen bloß. Sie gaben ein Lied über die Perlenpforte zum Besten, das eine schier endlose Zahl von Strophen zu haben schien.
    Am Ufer hatte sich die übliche Klientel versammelt. Penner, versoffene Kriegsveteranen. Jugendliche Halbstarke in kleinen, aber lautstarken Gruppen. Junge Liebespaare. Vereinzelte ältere Paare, die sich hinausgewagt hatten. Alle ließen die Heilsarmisten gewähren, keiner regte sich auf. Außer Jouni.
    Er kam fast eine Stunde zu spät, sein Hemd war aufgeknöpft, und die Haare waren zerzaust, und er trug eine schwarze Ledertasche in der Hand, die er auf der Erde abstellte, ehe er sich zwischen Ariel und Adriana fallen ließ. Er wirkte überdreht und rastlos, schaute sich ständig um, schüttelte den drei Heilsarmisten zugewandt ungeduldig den Kopf, öffnete anschließend zwei weitere Hemdknöpfe und zog wie seine Freunde Schuhe und Strümpfe aus.
    »Du kommst spät«, sagte Adriana in einem neutralen Ton.
    »Verdammt, das weiß ich auch!«, fauchte Jouni, atmete tief durch und fuhr ruhiger fort: »Wir mussten arbeiten, bis wir mit dem Job fertig waren. Und danach war ich so verflucht dreckig, dass ich in die Sauna gegangen bin, um mich zu waschen.«
    Das erklärt aber nicht, warum du schon angetrunken bist, dachten Adriana und Ariel. Man sah, dass Jouni getrunken hatte, außerdem roch sein Atem nach Fusel. Aber keiner von ihnen sagte etwas. So war das mit Jouni, manchmal unterließ man es einfach, ihn auf gewisse Dinge anzusprechen, auch wenn es sicher gute Gründe gegeben hätte.
    »Das Skoha-Haus ist jetzt weg«, meinte Jouni, »den Kehraus haben wir gestern und heute erledigt. Die Baufirma kommt schon nächste Woche, sie wollen direkt sprengen.«
    »Und was soll da stattdessen gebaut werden?«, erkundigte sich Ariel schläfrig.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Jouni. »Irgendein Riesenklotz.«
    »Wie viele Häuser hast du mittlerweile abgerissen?«, fragte Adriana.
    »Eine Menge«, gab Jouni zu.
    »Ist das nicht a-anstregend?« Das war wieder Ariel.
    »Nee, wieso«, sagte Jouni. »Es wird gut bezahlt. Und es erfordert nichts als Muskeln, mit den Gedanken kann man ganz woanders sein. Aber jetzt schaut mal, was ich hier habe!«
    Er begann, in seiner bauchigen Ledertasche zu wühlen, zog eine halbvolle Flasche Weinbrand der Marke Jaloviina heraus, wühlte weiter und holte ein Transistorradio heraus. Es hatte einen Ledergriff und war in rot lackiertes Holz eingefasst, oben und an den Seiten war das Holz kompakt, an der Vorderseite dagegen in dünne Sprossen gesägt.
    Ariel hievte sich auf den Ellbogen, aber Adriana blieb mit geschlossenen Augen zur Sonne gewandt sitzen und wirkte desinteressiert.
    »Wo hast du das her?«, fragte Ariel, streckte sich nach der Weinbrandflasche, vergewisserte sich, dass keiner sie beobachtete, hob die Flasche an

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