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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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beigebracht: Wo ist denn meine große buschige Möse? Von ihm aus durfte Adriana Mansnerus sich mit solchen Albernheiten abgeben, wenn ihr der Sinn danach stand, Jouni Manner war niemand, der sich von so etwas aus der Fassung bringen ließ: Wenn nötig, konnte er sowohl Schwedisch als auch Englisch sprechen, und an der Universität hatte er sogar einen Anfängerkurs in Französisch belegt. Allerdings hütete er sich, in Adrianas Gegenwart seine schwedische Lieblingsphrase fallen zu lassen, Ariel quälte er hingegen damit, sie in einem schlecht nachgeahmten ländlichen Dialekt zum Besten zu geben.
    Als sich der Frühling ankündigte, stritten sie sich immer noch über das Repertoire. Die Beatles hatten eine neue Platte herausgebracht, in die Adriana sich verliebt hatte, sie wollte Michelle und Norwegian Wood singen. Jouni schüttelte den Kopf und schlug Girl vor, der Song konnte ihre neue Serenade für Adriana werden, Girl From The North Country sangen sie mittlerweile schon so lange. »Niemals!«, rief Adriana. »Das Mädchen in Girl ist doch ganz furchtbar!« Ariel schlug sich auf Adrianas Seite. » Girl ist wirklich bescheuert, Norwegian Wood ist ein viel besserer Song«, erklärte er. »Okay, aber wenn wir Norwegian Wood machen, will ich I Am A Rock singen«, entgegnete Jouni daraufhin, »das Stück könnt ihr einfach nicht bescheuert finden.«
    Sie schafften es nicht einmal, sich auf einen Namen für ihre Gruppe zu einigen. Seit ihrem Debüt im Keller des Lyzeums waren sie unter dem fantasielosen »Jouni, Ariel & Adriana« aufgetreten, aber keinem von ihnen gefiel das sonderlich, man dachte immer nur an »Peter, Paul & Mary«, die Jouni und Ariel verachteten. Als sie im März Richtung Stadt gingen, meinte Adriana, wenn Ariel seinen Nachnamen zu Mahl änderte, könnten sie sich M & M & M’s nennen. Adrianas Onkel Hans-Peter arbeitete in New York und schenkte ihr und Eva immer M & M’s zu Weihnachten, aber für Ariel und Jouni blieb der Witz unverständlich: Keiner der beiden verzog eine Miene.
    Es blieb Stenka Waenerberg überlassen, den gordischen Knoten zu durchschlagen. An einem Abend im März saßen sie im Restaurant Bulevardia und berieten sich – Stenka hatte dem Türsteher einen Geldschein zugesteckt, als dieser Jouni, Ariel und Adriana forschend angesehen und sich erkundigt hatte, ob auch alle volljährig seien –, und Stenka erklärte, seiner Meinung nach könnten sie ruhig I Am A Rock singen, sollten sich vor den Beatles jedoch hüten. Ihr Künstlername sei eigentlich auch in Ordnung, aber wie war es, konnte Jouni sich eventuell vorstellen, auf sein u zu verzichten?
    Jouni kostete den neuen Namen – Joni, Jonni, Jonny, Johnny und wieder Joni – und nickte anschließend.
    »Schön«, sagte Stenka Waenerberg, »ich habe übrigens eine Neuigkeit für euch. Ihr werdet eine Platte aufnehmen. Für Sonovox.«
    Es wurde still am Tisch. Ariel und Adriana bekamen den Mund nicht mehr zu, während sich auf Jounis Gesicht ein breites Grinsen legte.
    »So«, sagte Stenka Waenerberg und zog seine Schachtel Winston heraus, schüttelte eine neue Zigarette heraus, zündete sie an, nahm einen tiefen Zug und blies eine dicke Rauchwolke aus. »Addi und Ariel, macht den Mund zu, es zieht, jetzt reden wir über Strategie. Ich finde, ihr solltet euer eigenes Lied nehmen. Das hast du doch geschrieben, Ariel? Dann könnt ihr als B-Seite The Sound Of Silence aufnehmen. Aber singt den Song auf Finnisch. Es gibt schon einen Text, ein Freund von mir hat ihn übersetzt.«

3
    Der Tag nach dem Treffen im Bulevardia war ein Samstag. Ariel, der gewohnt war, die Tür zu seinem kleinen Zimmer abzuschließen – es gab zwei Schlüssel, und er hatte beide an sich genommen – und lange zu schlafen, war schon um acht auf den Beinen. Auch Lydia war aufgestanden, um halb neun musste sie putzen gehen. Zu Ariels Verblüffung hatte sie Kaffee gekocht und sogar versucht, Brote zu streichen. Er nahm die dampfende Kaffeetasse an, die sie ihm reichte, schüttelte jedoch den Kopf, als sie ihm das Brot anbot. Sie hatte versucht, einen harten Butterklumpen auf einer Scheibe trockenen Weißbrots zu verstreichen, aber aufgegeben und den Klumpen als eine Erhebung auf der halb zerkrümelten Brotscheibe zurückgelassen. Anschließend hatte sie versucht, ihr Missgeschick mit einer mindestens zwei Zentimeter dicken Scheibe Wurst zu verbergen. Die arme Lydia, es gibt so vieles, was sie nicht kann, und alles, was mit Essen zusammenhängt, gehört dazu.

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