Geheimakte Proteus
Garderobe verschwunden war, da hätte ich beinahe durchgedreht. Ich habe mir ein paar Reserveschablonen geschnappt und bin zur Rohrbahnstation gerannt und habe dort gewartet. Der Polizei könntest du vielleicht entwischen, aber nicht mir. Ich war dort, um dich umzubringen. «
»Und mit Recht. An deiner Stelle hätte ich ganz genauso gehandelt. Man hat auf dich geschossen, weil du auf dieser Plattform warst, und du warst meinetwegen dort. Also fühlte ich mich verantwortlich. Ich weiß nicht viel über dich, aber ich wusste jedenfalls, dass du etwas Besseres verdient hast, als von einem Blut hinterrücks erschossen zu werden.«
»Das war kein Blut. Das war ein Scharfschütze von der Flagge-Polizei. Man hat mir gesagt, die hätten ihn dort aufgestellt, um sicherzugehen, dass niemand dich daran hindern würde, zu deinem Glom zurückzukehren.«
Tristan schloss die Augen und spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Die Schuldgefühle für die von ihm verursachte Katastrophe waren seit dem Schock seiner Gefangennahme durch Proteus etwas abgeklungen, fluteten aber jetzt wie eine Welle zurück.
Er setzte sich auf das andere Bett und starrte auf den Boden.
»Wie – woher weißt du das?«
»Diese Proteus-Mimiks haben es mir gesagt. Sie haben den Schützen gefangen und es aus ihm herausgequetscht.«
Was bin ich doch für ein Plasmid, dachte Tristan. Was für ein wertloser Mutagen! Da hielt ich mich für so schlau, weil ich ständig der Flagge-Polizei entwischen konnte, und dabei haben die die ganze Zeit bloß mit mir gespielt.
»Was ist mit diesen Mimiks hier?«, fragte Eel.
Tristan kämpfte gegen die Selbstverachtung an, die immer wieder in ihm aufwallte. »Was?«
»Diese Proteus-Gruppe. Was ist mit denen?«
»Das sind Flüchtlinge, viele aus Arenen – wie du.«
»Ich bin nicht weggelaufen«, herrschte Eel ihn an, aber dann änderte sich sein Tonfall. »Aber vielleicht sollte ich das.«
»Weil sie auf dich geschossen haben?«
Der mächtige Reptilkopf nickte. »Von meinem eigenen Glom in den Rücken geschossen. Die mussten wissen, dass ich das bin – alles andere haben sie ja auch gewusst –, aber das hat sie nicht abgehalten. Für die war ich entbehrlich.«
»Ich würde das an deiner Stelle nicht persönlich nehmen«, sagte Tristan. »Ich wette, die hätten sogar einen von ihren eigenen Polizisten erschossen, bloß um mich entkommen zu lassen.«
»Trotzdem macht es einen nachdenklich. Und dann sind da diese Mimiks hier. Die haben mich nicht gekannt. Nicht persönlich. Die einzige Gelegenheit, ihre Bekanntschaft zu machen, wäre in der Arena gewesen, und in dem Fall hätte ich sie bestimmt ziemlich zugerichtet – und trotzdem haben sie mich zu einer Ärztin geschleppt. Sie haben mir das Leben gerettet. Und deshalb habe ich jetzt das Gefühl, in ihrer Schuld zu stehen.«
»Ich bin sicher, dass die das nicht so sehen.«
»Wie die es sehen, ist mir egal. Schuld ist Schuld. Und dir gegenüber empfinde ich genauso. Weil du meine Wunde versorgt hast.« Er wandte sich wieder ab. »Dabei mag ich es nicht, jemandem verpflichtet zu sein.«
»Nun, meinetwegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es war meine Schuld, dass man auf dich geschossen hat, also sind wir quitt. Aber selbst wenn das nicht der Fall wäre – ich bezweifle, dass es mich noch lange geben wird.«
»Ja«, sagte Eel. »Die hassen dich wirklich abgrundtief. Sie geben dir die Schuld am Tod all dieser Kaze-Mimiks. Dabei haben sie keinen Einzigen von ihnen gekannt. Ich verstehe Proteus nicht.«
»Sie sind der Ansicht, alle Mimiks seien miteinander verwandt. Du weißt schon, das Goleman-Chromosom und das alles.«
»Ja, das haben sie zu mir auch gesagt. Die wollen, dass ich mich ihnen anschließe.«
»Nun, da für Proteus ja alle Mimiks eine einzige große Familie sind, würde ich sagen, dass du bereits Mitglied bist.«
»Eine Familie«, sagte Eel leise.
»Eine eigentümliche Vorstellung für einen Mimik, wie? Ich habe gehört, diese ganze Proteus-Sache geht auf Okasan zurück.«
»Okasan.« Eel starrte ihn an. »Dann gibt es sie also wirklich? Das ist nicht bloß eine Legende?«
»Ich habe eine alte Frau kennen gelernt, die sich Okasan nennt. Sie scheint mir echt zu sein. Und obwohl sie eine Realperson ist – wenigstens behauptet sie das –, scheint sie wirklich um uns Mimiks besorgt zu sein.«
»Selbst um dich?«
Tristan schluckte. »Als ich sie das erste Mal sah, hat sie mir diesen Eindruck gemacht. Aber ich bezweifle, dass das jetzt
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