Geheimakte Proteus
hatte schon bessere Tage«, erwiderte er. Er ließ den Beutel in ihren Behälter fallen. »Aber das wird schon wieder.«
Es wird sogar noch viel besser werden, sobald ich bei Cyrill war. Ich werde frei sein.
»Ich habe Ihre Route zum Turm«, sagte Tristans PDA.
Als er sein Abteil erreicht hatte, tat Tristan zwei Dinge. Zuerst schaltete er seinen PDA auf die Standardeinstellung: ein körperloses Gesicht, das er »Joe« nannte und das jetzt vor ihm in der Luft schwebte. Dann fluxte er langsam von Dohan Lee in seine Eigenmasque. Die mit dem Flux einhergehende Gewebeumformung heilte den größten Teil seiner Prellungen und Verletzungen. Man konnte immer noch Spuren sehen, aber die Wunden sahen jetzt so aus, als ob sie mehrere Tage alt wären.
»Lass sehen, Joe.«
Tristans Roaming Grid erschien und zeigte einen Weg zum Kaze Tower und dann eine Folge von Codenummern, die ihn zu Cyrill bringen würden. Er war erst einmal im Tower gewesen, aber noch nie, um sich dort mit Cyrill zu treffen.
Er beeilte sich, passierte erneut die verschiedenen Checkpoints des Geheges und hielt sich dann an den Weg zum Tower.
Alle Räumlichkeiten im Turm waren mit einer Buchstaben- und Ziffernfolge gekennzeichnet; diese Buchstaben-Zahlen-Kombinationen identifizierten jede Räumlichkeit und den Zugang zu ihr. Aber ob oben, unten, Norden oder Süden – den exakten geographischen Ort konnte man daraus nicht entnehmen; er würde genau dort eintreffen, wo er benötigt wurde.
Schließlich trat er in einen schwarzen Raum, den ein Dutzend speerförmiger Lichter erhellte, die aus der Decke kamen. Aber er war allein.
Tristan sah sich nach einem Stuhl um. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie müde er war. Und das war es nicht allein – man hatte ihn gejagt, geschlagen, verletzt und herumgeschubst. Er brauchte ein paar Liter Nährstoff und Stunden, nein Tage im Nullzustand.
Nichts, worauf er sich setzen konnte. Der Raum war völlig anders als die warmen, behaglichen, virtuellen Räume, in denen er und Cyrill sich gewöhnlich trafen.
Tristan wartete.
Der Weg zu diesem Raum hatte ihn desorientiert. Manchmal hatte er das Gefühl gehabt, in einem Schachttaxi nach oben zu fliegen, dann wieder zur Seite, nach unten und wieder hinauf, bis schließlich bei ihm der Eindruck entstanden war, dass dieser Raum überall sein konnte, vielleicht nicht einmal in dem verdammten Tower.
Warten. Die Lichter erzeugten perfekt kreisförmige Muster auf dem schwarzen Boden. Kein Staubkörnchen schwebte in dem weißen Licht. Tristan atmete durch. Er spürte jeden seiner schmerzenden Knochen, jede einzelne Prellung. Hungrig, erschöpft … er rieb sich den Nacken, spürte die verspannten Muskeln.
Ein Paneel in der Wand schob sich auf, und ein Mann trat in den Raum, trat in eines der weißen Lichter. Cyrill. Tristan wusste das, weil er genau so aussah, wie er immer ausgesehen hatte. Das war beruhigend, da Cyrill ja schließlich im Ocean jede Verkleidung hätte nutzen können. Dies war der »Cyrill«, den Tristan kannte.
Das Paneel schloss sich wieder.
Tristan stand da und erwartete ein Lächeln. Doch stattdessen …
»Du hast dich verspätet.«
Verspätet. Das war richtig. Tristan war so erleichtert darüber gewesen, die Freizone verlassen zu können, dass er sich gar nichts dabei gedacht hatte, dass er … sich verspätet hatte.
»Ja, Cyrill. Aber ich hatte schreckliche Probleme mit -«
»Ich weiß. Die Flagge-Patrouillen. Wir sind in den anderen Gloms nicht gerade ›blind‹, weißt du. Wir haben jeden deiner nicht immer sehr regelmäßigen Schritte verfolgt.«
»Die Freizone zu verlassen … war nicht leicht.«
Tristan spürte, dass er Cyrill besser nicht zu viel über jenen Teil seines Einsatzes sagen sollte. Jedenfalls nichts von den abtrünnigen Mimiks, die die Herrschaft der Gloms brechen wollten. Und von Okasan, die er für Kaze verraten hatte.
Darüber durfte er Cyrill nichts sagen. Aber wie viel wusste dieser bereits?
Tristan trat ein wenig unbehaglich von einem Fuß auf den anderen; die Stille im Raum war irritierend, und er wünschte sich, dieses Gespräch fände im Ocean statt.
Cyrill trat einen Schritt näher an Tristan heran. Der Raum strahlte ein unheilvolles Gefühl aus, gar nicht wie ein Besprechungsraum; eher wie eine Verhörzelle.
»Wir haben dich in der Freizone verloren. Du bist … Schaustellern begegnet.«
Tristan nickte. »Sie haben mir geholfen … sie hielten mich für einen entflohenen Mimik.«
Cyrill grinste. »Und wo
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