Geheimcode F
unübersehbar über den Diebstahl. Dem armen Hund das letzte Stück Heimat rauben. Das war ja wirklich allerhand!
Auf ihrem Heimweg begegneten sie wieder dem Federvieh, das diesmal einen gehörigen Respektabstand zu ihnen einhielt. Die beiden lachten und Opa meinte: »Einmal die Harke gezeigt, und du hast Ruhe. Das gilt für alles in der Welt.« Er machte einen übermütigen Freudensprung. Dabei hätte er fast einen komischen Fremden umgestoßen, der laut singend, ein Tablett in Händen, über den Hof tanzte.
»Marie-Antoinette, jetzt kommt dein Frühstück ans Bett.«
»Wer war denn das?«
»Keine Ahnung. Aber die Idee ist nicht schlecht, meinst du nicht, daß wir uns jetzt ein schönes Frühstück verdient haben?«
In Madame Duffys Küche war der Tisch reichlich gedeckt. Mit herrlich duftendem Café au lait und zarten Croissants für die Franzosen und allen möglichen Leckereien — vom luftgetrockneten Schinkenspeck über Eier, Käse und Torten — für die Gäste aus deutschen Landen. Die Morgensonne guckte verstohlen durch die zarten Spitzenvorhänge an den Küchenfenstern und tauchte das Geschehen auch noch ins rechte Licht. Alle hatten sich hier eingefunden und schwatzten und plauderten wild durcheinander. Madame Duffy selbst eröff-nete das Buffet: »Es ist gedeckt, meine Herrschaften! Hier das französische, hier das deutsche Frühstück. Jeder möge zugreifen. Guten Appetit!« Das mußte sie nicht zweimal sagen. Mit Heißhunger stürzte man sich auf die dargebotenen Schätze. »Ich hätte ja draußen gedeckt«, meinte sie entschuldigend, »aber Sie sehen ja, wir bauen um. Unsere Gerüste haben Sie sicher schon bemerkt.«
»Ach, wir bauen auch gerade um.« Vater hatte Verständnis für diesen Umstand.
»Eine Garage für dein Moped«, ätzte Rica. »So groß, was?« Zwei Finger breit und halb so hoch. Alle lachten. Ihre fröhlichen Stimmen drangen nach draußen, wo sie Opa und Tobias, die auf halbem Weg zum Frühstückstisch waren, erreichten.
»Guten Morgen, Herr Ruhland«, grüßte Madame Duffy. Der hatte jedoch nur Augen für das Unikat, das er beim Eintreten in die gute Stube sofort erspäht hatte: seinen Mantel. Den vom Feld, jawohl, den gestohlenen, oder besser gesagt den abhanden gekommenen. Fein säuberlich auf dem Kleiderhaken aufgehängt. Tarzans letztes Stück Heimat fand nicht auf freiem Feld, sondern in der Küche von Madame Duffy statt. Was um alles in der Welt hatte es ausgerechnet dort zu suchen? »Da ist ja mein Mantel«, murmelte Opa fassungslos. »Ja, unser neuer Gast hat ihn gebracht. Ein verrückter Kerl. Philosoph auf Durchreise. Ist heute morgen angekommen und, weil er ein ordentlicher, ehrlicher Mensch ist, hat er den Mantel aufgehoben und mitgebracht. Sie können sich gleich bei ihm bedanken. Er ist im Stall«, erläuterte Madame die näheren Umstände.
»Philosoph auf der Socke! Die Welt wird immer verrückter. Durchreisend, aber Freundin im Bett... Na ja, frühstücken wir erst mal, mein Junge.«
Tobias’ Appetit war beängstigend. Mit halbvollem Mund meinte er: »Was ist denn eigentlich ein Philosoph, Opa?« Der überlegte kurz. »Eine Mischung zwischen gutmütigem und grausamem Spinner, verstehst du?«
Nein, Tobias verstand nicht. Die anderen übrigens genausowenig .
»Erzähl ich euch später, jetzt wird gegessen.« Denn wenn er selbst eine Philosophie hatte, dann die, sich nie und nimmer aus der Fassung bringen zu lassen. Und schon gar nicht mit leerem Magen vor einem reichlich gedeckten Tisch. Dem Jünger der Landstraße könnte er auch später seine Meinung sagen...
»Nicht wahr?« fragte er pro forma das Stück Apfelkuchen in seinen Händen, und als das nicht antwortete: »Na eben.«
Die Villa strahlte freundlich im hellen Morgenlicht. Die Bucht von Sète lag still und verschlafen da. Noch hatte das geschäftige Treiben der Freizeitfischer, Segler und Wassersportler nicht begonnen. Hier tickten die Uhren langsamer als in den geschäftigen Städten des Nordens. Aurelia brachte ihrer Mama die Morgenzeitungen. Sie sah nicht ganz so unglücklich aus wie am Tag zuvor, aber die Tränen saßen noch immer sehr locker. Den Verlust ihrer beiden Lieblinge würde sie nicht so schnell überwinden, das war klar.
»Guten Morgen, Prinzeßchen , komm zu mir.« Yvette, ihre Mutter, drückte ihr einen Kuß auf die Wange. »Möchtest du ein bißchen Saft? Du darfst jetzt nicht länger traurig sein.«
»Ich bin aber traurig, sehr sogar.«
Mit einem Wiegenlied versuchte Yvette,
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