Geheimcode F
in der Luft. »Wem bin ich was schuldig?« Doch so leicht sollte er nicht davonkommen. »Jetzt nehmen Sie einmal Platz«, ordnete der Gesetzeshüter an. »Und Sie bleiben als Zeugen hier, alle!« Sogar der Hund mußte sich setzen. Die kleine Wachstube war zum Bersten voll, als Madame Duffy eintrat. »Was ist denn hier los, Clemens?« Man merkte sofort, daß sie dem Polizisten großen Respekt einflößte. Dann blickte sie in die Runde: »Na, wen sehe ich denn da. Guten Tag, Robert, guten Tag Madame Martin... Wie behandelt man denn meine Gäste? Ich verlange Aufklärung, sofort!« Der Polizist begann zu stottern: »Diese Herren werden beschuldigt, daß... der ältere einen Hund fangen wollte, während der jüngere... einen Obststand umgeworfen hat und... damit den Tagesverdienst dieses Herrn... ruiniert hat.«
»Den Tagesverdienst kann man doch bezahlen«, wunderte sich Madame Duffy. »Das wollte ich ja, aber wir wurden verhaftet, weil... weil...« Vater rang nach Luft. Weil die hier alle verrückt sind, hätte er am liebsten gesagt. Aber »die hier« waren in der Überzahl, und an seinem eigenen Geisteszustand zweifelte er auch langsam. Tarzan mit irgendeinem fremden Hund zu verwechseln. Unverzeihlich!
Nachdem Madame für die Unschuld von Opa und Vater gebürgt hatte, wurde auch der finanzielle Teil schnell und unbürokratisch mit einem »Sie hatten doch noch bei mir Schulden, Robert« seitens Madame Duffy erledigt. »Dann kommen Sie, meine Herren!« Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen. Opa, der sich schon als Häftling hinter Gittern gesehen hatte, brachte nur ein erleichtertes »Danke, Madame!« heraus, und Vater, dessen Temperatur sich langsam wieder auf normal abkühlte, murmelte: »Mann o Mann, das hätte ins Auge gehen können. Das glaubt uns zu Hause keiner!«
Rica und Dora hatten ihren ersten Sonnenbrand abgekriegt. Trotz Sonnencreme und obwohl das Mittelmeer, zu ihrer beider Leidwesen, noch in weiter Entfernung lag. Ihre Versuche, im Flüßchen unterhalb der Duffyschen Besitzungen ein erfrischendes Bad zu nehmen, scheiterten am brackigen, seichten Wasser und den zahllosen Algen, die dort herumtrieben. Ein Tauchversuch an tieferer Stelle gipfelte bei Rica in einen tränenreichen Wutausbruch. Jetzt waren sie auf dem Heimweg und schoben ihre Fahrräder durch die Mittagshitze. Ein Ende war nicht abzusehen. Ricas Kopf war rot wie eine Tomate. »Ich hasse diese Gegend, ich hasse diesen Urlaub, ich will nach Hause!« brüllte sie und ließ ein paar Tränen kullern. »Keiner mag mich, nicht einmal dieser unmögliche Kerl, der hat eine spanische Freundin, und ich sterbe vor Hitze und Langeweile, was mache ich überhaupt hier?« Sie hätte sich am liebsten am Straßenrand zum Sterben hingelegt. »Na, komm schon, Liebes«, tröstete Dora, die trotz aller widrigen Umstände guter Dinge war. »Und von wem redest du eigentlich?« — »Von diesem Alain, diesem Blödmann!« Dora grinste. Ihr kleines Mädchen hatte sich also doch verliebt, zumindest ein bißchen. »Ich finde den ganz nett«, meinte sie. »Unsinn. Jemand, der eine spanische Freundin hat, kann nicht nett sein«, ereiferte sich Rica und wußte im selben Moment, wie dumm und ungerecht solche Sprüche waren. »Weil’s wahr ist!« Sie blickte finster zu Boden und schob ihr Fahrrad neben Dora her. Während sie so ihren düsteren Gedanken nachhing, legten sie die Strecke zum Landhaus Duffy erstaunlich schnell zurück. Es war gerade Mittagszeit, als sie dort ankamen. »Schau mal!« Dora stieß Rica an. »Da vorne, sind das Freunde von dir?« Rica blickte auf. Wo sollte wer sein? Das war wieder typisch Dora. »Diese finsteren Typen? Wofür hältst du mich!« Die beiden jungen Männer, die so wenig vertrauenswürdig aussahen, waren eigentlich ganz gut gekleidet und von zuckersüßer Höflichkeit. Allerdings waren sie ein bißchen zu gebräunt und ein bißchen zu charmant, um echt zu wirken. Gentlemen waren sie jedenfalls nicht.
»Hallo, schöne Frau. Ist hier niemand?« wandte sich der eine an Dora. Die war um keine Antwort verlegen: »Vielleicht stellen Sie sich einmal vor, bevor wir Ihnen antworten!« Die beiden Männer wechselten einen Blick. »Miguel Sanches , und das ist mein Freund Juan Alvares , aus Barcelona!« — »Dorothea Ruhland, meine Tochter Rica, aus Süddeutschland!« — »Ihre Tochter? Ich dachte, Ihre Schwester«, flötete der eine. »Ich fasse es als Kompliment auf, danke. Madame Duffy ist noch in der Stadt. Sind Sie angemeldet?«
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