Geheimcode Misty Hazard (German Edition)
fragte sie sich dann, wer noch über solch eine Kreditkarte verfügte und ob er mit einer größeren Skrupellosigkeit als sie davon Gebrauch machte. Eileen benutzte die Karte zum Überleben: Nahrung, Kleidung, verschiedene Wohnsitzwechsel zur Aufrechterhaltung ihrer Tarnung, Buchung von Flügen, Miet- oder Kaufwagen. Nie hatte sie mit dem Gedanken gespielt, sie für den Kauf von etwas Persönlichem einzusetzen. Wozu auch? Genau genommen war sie auf der Flucht, auch jetzt noch. Es lohnte sich nicht, Geld für eine Prunkvilla, eine Jacht, einen Privatjet und schnelle, teure Autos auszugeben. Das Vergnügen wäre nur von kurzer Dauer. Spätestens dann, wenn sie den Ort wechselte, würde sie alles zurücklassen oder wieder verkaufen müssen. Aber die Karte hatte den Vorteil, dass sie nicht mittellos war und ihr und Gwens Überleben finanzieren konnte. Vielleicht änderte sich das jetzt, wenn sie für die Free Allied Forces arbeitete.
»Ich bin anscheinend nicht wichtig genug und deshalb auf dem letzten Platz gelandet«, sagte Meryem leise. »Das Schlusslicht, sogar hinter der Israelin.« Sie sprach das letzte Wort gepresst mit deutlichem Hass in der Stimme aus.
Eileen nahm das Geld aus dem Automaten und verstaute sowohl die Ghost Card als auch die Scheine in der Uniformtasche. »Ich dachte, Sie wären Drusin und keine Muslimin.«
Meryem blickte sie an. »Außer den Amerikanern kann niemand die Israeli wirklich leiden, ganz gleich welcher Religion er angehört. Vor allen Dingen nicht den Mossad. Ich hoffe nur, der Admiral kommt nicht auf die Idee, die Israelin für die FAF zu rekrutieren.«
»Soweit ich weiß, arbeitet sie bereits für die Generäle.«
»Gut.« Meryem grinste plötzlich. »Dann freue ich mich schon auf eine Begegnung mit ihr.«
Eileen runzelte die Stirn. »Unterschätzen Sie sie nicht. Eine Mossad-Agentin ist schon unbequem genug, aber sie ist auch eine Hazarderin. Außerdem stehen Sie nicht am Schlusslicht der Liste.«
Meryem sah sie an, als zweifele sie an Eileens Verstand. »Fünfzehn Namen. Meiner steht ganz unten.«
Eileen lächelte, griff in die Innenseite ihrer Tasche und zog den Blackberry hervor. Sie wählte sich ins Internet ein und bekam eine schwache Verbindung, die aber ausreichte, um die kleine Textdatei auf dem Gwenserver herunterzuladen. Eileen hielt Meryem das Touchdisplay unter die Nase.
»Zwanzig Namen«, sagte Eileen. »Diese Liste ist mir von einer anderen Quelle zugespielt worden. Irgendwo gibt es noch fünf weitere Hazarder, von denen die anderen nichts wissen sollen. Und fragen Sie nicht, ich habe keinen Schimmer, wo sie sein könnten. Darum können wir uns kümmern, wenn wir diesen Job hier erledigt haben.«
Meryems Blick war unentwegt auf die Liste gerichtet. Sie machte keine Anstalten, den Blackberry zu ergreifen, sondern schien die zusätzlichen Namen eingehend zu studieren. Dann nickte sie und deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Inzwischen wurde es auf dem Marktplatz lauter. Rollläden wurden hochgezogen, Tore und Türen geöffnet. Der Muezzin war verstummt. Leute bauten ihre Stände auf, zogen Karren in die Mitte des Platzes. Andere platzierten Tische und Stühle oder Hocker vor ihre Häuser. Tee wurde ausgeschenkt. Leute erschienen auf den oberen Balkonen und genossen die Sonnenstrahlen, die langsam über die Dächer krochen.
Eileen folgte Meryem zurück in die Gasse. Sie blieben vor dem Haus stehen, das die Libanesin ihr zuvor gezeigt hatte, und klopften an. Die Tür wurde von einer Frau mit verschleiertem Gesicht geöffnet. Meryem wechselte ein paar Höflichkeitsfloskeln auf Arabisch zu ihr, woraufhin die Frau sie und Eileen mit einer einladenden Geste ins Innere bat.
»Halten Sie fünftausend Pfund bereit«, raunte Meryem Eileen zu.
Direkt hinter dem Eingang befand sich der Wohnraum. Ein abgewetztes Sofa stand an der Fensterwand, davor ein niedriger Tisch mit zwei Kerzen und einer Teekanne in der Mitte. Auf dem Sofa hockte ein Mann in Kaftan und roter Kufiya. Sein grauweißer Bart reichte ihm bis zur Brust. In einer Hand hielt er einen Teebecher, an dem er nippte, während er auf einem alten Schwarz-Weiß-Fernseher die Nachrichten von Syrian TV verfolgte. Die Frau mit Schleier verneigte sich vor ihrem Mann und zog sich dann zurück.
»Salaam aleikum«, sagte Meryem.
Der Mann blickte hoch und wandte den Kopf. Er musterte Meryem, dann Eileen und brummte dann etwas, das Eileen nicht verstand.
»Das Geld«, sagte Meryem.
Eileen griff in die
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