Geheimcode Misty Hazard (German Edition)
tastete nach dem Verschluss des Sicherheitsgurts und befreite sich von ihm. Die Fahrertür ließ sich nicht öffnen, die Beifahrerseite war eingeknautscht. Es blieb ihr nur ein Weg aus dem Wagen. Sie hob den linken Arm schützend vor das Gesicht und richtete die Pistole auf die rechte äußere Ecke der Windschutzscheibe. Ein Schuss peitschte und zersprengte das Sicherheitsglas.
Die Glassplitter ignorierend, drückte sich Eileen aus dem Sitz und kroch über das Armaturenbrett durch den Fensterrahmen auf die Motorhaube. Ihre Hände bluteten. Ein heftiges Ziehen machte sich in ihrer Hüfte bemerkbar und sie spürte, dass ihr etwas Warmes, Klebriges von der Stirn lief.
Blinzelnd wandte sie sich zu dem BMW um, dessen Fahrertür sich in dem Moment öffnete. Eine Gestalt taumelte ebenso benommen wie Eileen ins Freie. Dunkel gekleidet. Blondes, hochgestecktes Haar.
»Waren wir nicht woanders verabredet, Gwen?«, fragte Eileen kopfschüttelnd.
Mrs Stylez verzog den Mund und kam humpelte auf sie zu. »Mir ist was dazwischengekommen.«
London, Vereinigtes Königreich
Houses of Parliament, Westminster Palace
11. Dezember, 13:45 Uhr GMT
Lord James Edward of Narwicks Büro lag im vierten Stockwerk. Unter der Erde. Während sich die Kammerherren des House of Commons und des House of Lords täglich die Hand reichten und in ihren Tagungen die Geschicke des Vereinigten Königreiches lenkten, ließ sich Jae Narwick nur selten oben blicken. Zwar schätzte man ihn als Angehörigen des House of Lords wegen seiner Ansichten zum Thema Umweltschutz, doch ihm war wenig daran gelegen, sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu zeigen. Nicht nach den Ereignissen in der Baffinbucht in Kanada. Bisher hatte er es stets geschafft, sich mit seinen Aktivitäten für Gaia’s Dawn im Hintergrund zu halten. Doch bei der Suche nach dem Renegade-Virus war es seiner Ansicht nach erforderlich gewesen, die Operation persönlich zu überwachen. Zwar lebte von den Leuten, die ihn identifizieren konnten, niemand mehr, doch er wollte besser Vorsicht walten lassen, denn das britische Parlament war ebenso von Mitgliedern des Verbunds der Generäle unterwandert wie fast jede andere Regierung auf der Welt. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.
Von den Etagen unter dem Kellergeschoss wussten nur wenige, von dem abgeteilten Bereich im vierten Untergeschoss nur Eingeweihte und vertrauenswürdige Personen. Der vom öffentlichen Parlamentsgebäude abgegrenzte Bereich umfasste knapp 3000 Quadratmeter Gebäudefläche mit unzähligen Großraum- und Einzelbüros, Lager- und Pausenräumen, Küchen und Toiletten, Server- und Technikräumen, Laboratorien und einer Kommandozentrale, die dem Aufbau nach dem Tower eines modernen Großflughafens ähnelte. Die Rundumverglasung war durch Plasmabildschirme ersetzt worden.
Narwick genoss den Vorzug, über das größte Büro zu verfügen. Ohne das Vorzimmer nahm es knapp 200 Quadratmeter in Anspruch und bestand unter anderem aus einem wuchtigen Kiefernholzschreibtisch, der dem des Präsidenten im Oval Office nachempfunden war, wenn auch nicht aus Schiffsplanken gefertigt. Auch die ovale Krümmung des Büros und die Sitzgruppen vor dem Schreibtisch wiesen prägnante Ähnlichkeiten zu dem amerikanischen Regierungsbüro im Weißen Haus auf. Die doppelte Fläche des Büros gegenüber seinem US-Pendant ließ die Vermutung aufkommen, Narwick leide unter Größenwahn und nehme sich wichtiger als den amerikanischen Präsidenten. Bei genauerer Betrachtung war er das sogar, denn das Oberhaupt der US-Regierung war lediglich eine Marionette des Verbunds der Generäle.
Was den Größenwahn anbelangte, sah sich Narwick eher als Heilsbringer denn als Regierungschef. Er hatte sich mit Leib und Seele dem Wohl der Erde verschrieben. Zur Erreichung seiner Ziele war ihm jedes Mittel recht, auch wenn er dazu über die sprichwörtlichen Leichen gehen musste. Das kam in jüngster Zeit leider häufiger vor. Die erste Konfrontation mit G-Dawns Gegner lag hinter Narwick und hatte ihn drei seiner besten Leibwächterinnen und zwei Forschungsschiffe nebst Besatzung gekostet, vom Verlust eines heiß begehrten Virenstamms, der G-Dawn einen technologischen Vorsprung gegenüber den Generälen vermitteln sollte, ganz zu schweigen.
Narwick war geschlagen – aber noch lange nicht besiegt. Er hatte eine Schlacht verloren, der Krieg indes war gerade im Begriff auszubrechen.
Ein Andenken an die erste Begegnung mit den Handlangern der Generäle
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