Geheimnis am Holunderweg
sein.”
„Natürlich war ich das. Nicht einmal Betti hätte mich erkannt. Ich mimte eine ältere Ausländerin, die mit Frau Kronstein befreundet ist und für drei Wochen bei ihr wohnt.”
„Wunderbar!” rief Betti. „Es stimmt genau. Du bist mit deiner Mutter befreundet und wohnst drei Wochen bei ihr.”
„Die Eintrittskarte hat mir Wegda dafür abgekauft, daß ich ihm aus der Hand wahrsagte”, fuhr Dicki eifrig fort. „Sein Handteller ist so gut gepolstert, daß man kaum Linien darin erkennen kann.”
„Was hast du ihm gesagt?” fragte Gina.
„Ach, ich sagte ihm, daß er mit Vornamen Theophil heißt und ein paar Neffen hat, darunter einen sehr gescheiten namens Ern.”
Die Kinder lachten schallend. Sie wußten, daß Herr Grimm seinen Neffen Ern nicht leiden konnte.
„Und dann sagte ich ihm, er würde bald eine Menge Geld bekommen”, fuhr Dicki fort.
„Ja, sein Göhalt”, fiel Flipp kichernd ein.
„Aber das Beste kommt noch. Schließlich tat ich so, als hätte ich etwas ganz Sonderbares entdeckt. Paßt mal auf – so!” Dicki nahm Ginas Hand, hielt sie dicht an die Augen, dann etwas weiter fort und zog sie dann wieder näher. „Ha! rief ich. Dies ist serr merkwürdig! Ik sehe – einen dieken Jungen, einen großen dieken Jungen!”
Wieder brachen die Kinder in Gelächter aus. „O Dicki, du hast so getan, als sähest du dich selber in Wegdas Hand!” rief Betti. „Was hat er dazu gesagt?”
„Er sagte ganz erschrocken: Was? Dieser Lümmel? Erzählen Sie mir mehr von ihm.”
„Und du hast ihm mehr erzählt?” fragte Rolf.
„Natürlich! Ich sagte: ,Nähmen Sie sik in acht vor diese dieke Junge. Neben ihm liegt ein Geheimnis’. Da wurde er ganz aufgeregt und rief: Was? Ein Geheimnis? Erzählen Sie mir mehr davon. Was für ein Geheimnis ist es?”
„Und was hast du darauf geantwortet?” fragte Betti lachend.
„Ich sagte: Ik kennen dieses Geheimnis nikt, aber es wird kommen. Nähmen Sie sik in acht vor diese dieke Junge.”
„Schade, daß wir nicht dabei gewesen sind!” sagte Rolf.
„Erzähle noch einmal alles von Anfang an”, bat Gina.
„Nein”, erwiderte Dicki, obwohl er seinen Streich gern noch einmal erzählt hätte. „Jetzt ist Rolf an der Reihe. Das Ende von der wunderbaren Wahrsagerei war jedenfalls, daß Wegda mir ohne weiteres das Geld für Ginas Karte gab. Er meinte, wenn ich auch auf dem Wohltätigkeitsfest wäre, sollte ich ihm noch einmal aus der Hand lesen und sagen, ob das Geheimnis schon näher wäre.”
„Was für einen herrlichen Vormittag du gehabt hast!” sagte Rolf ein wenig neidisch. „Jetzt sollt ihr hören, was ich erlebt habe.”
„Ja, erzähle.” Gina steckte das Geld, das Dicki ihr für die Karte gegeben hatte, in ihre Tasche. „Du hättest Rolf ab Fensterputzer sehen sollen, Dicki. Er hatte sich einen blauen Overall geborgt, eine alte Mütze aufgesetzt und sich die Hände und das Gesicht schmutzig gemacht. Ich hätte ihn bestimmt nicht als Fensterputzer angestellt. Er sah eigentlich mehr wie ein Schornsteinfeger aus.”
Dicki lachte. „Gut gemacht, Rolf! Nun erzähle, was du gemacht hast.”
„Nachdem ich mich verkleidet hatte, nahm ich einen Eimer und ein Fensterleder und ging los.”
„Wohin bist du gegangen?”
„Ich wollte mir ein einstöckiges Haus suchen, damit ich keine Leiter brauchte. Da fiel mir das kleine Häuschen am Holunderweg neben Haus Baumgrün ein.”
Dicki nickte. „Es liegt etwas von der Straße zurück in einem ziemlich verwilderten Garten, nicht wahr?”
„Ja. Ich ging also mit meinem Eimer und dem Lederlappen zu dem Haus und klopfte an die Tür. Zuerst blieb alles still. Aber als ich noch einmal lauter klopfte, rief ein ,Mann, herein!’ Ich öffnete die Tür und schrie ins Haus: ,Fensterputzer! Ist es recht, wenn ich jetzt die Fenster putze?’ Und da antwortete derselbe Mann ,ja!’.”
„Hast du ihn denn nicht gesehen?” fragte Dicki.
„Nein. Ich holte mir Wasser aus einer Tonne neben dem Haus und putzte zuerst die Fenster nach hinten heraus. In dem Zimmer befand sich niemand. Es sah ziemlich ärmlich aus; nur ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett standen darin. Während ich arbeitete, hörte ich, wie die Haustür zugeschlagen wurde und jemand zur Straße ging, aber sehen konnte ich niemand.”
„War denn nun kein Mensch mehr im Haus?” fragte Dicki.
„Anfangs glaubte ich das. Aber dann ging ich nach vorn. Und nun kommt das Seltsame an meiner Geschichte.”
Die anderen Kinder spitzten die
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