Geheimnis am Holunderweg
ein wenig über das Lob. „Ja, ich wollte Sie noch einiges über die verdächtigen Personen fragen.”
„Aha! Herr Grimm ist auch schon hier gewesen. Er scheint nicht besonders klug zu sein, aber fragen kann er gut. Darin sind eure Polizisten fabelhaft ausgebildet.”
Dicki war recht enttäuscht, daß Herr Grimm ihm zuvorgekommen war, ließ sich jedoch nicht entmutigen.
„Wer von den sechs Personen Ihrer Liste ist im Holunderhaus drin gewesen, und wer war nur draußen an der Tür?” fragte er.
„Alle sind ins Haus hineingegangen”, antwortete Monsieur Henri.
„Der Fensterputzer auch?”
„Ja, der auch. Meine Schwester sagt, es war derselbe, den sie hat. Er hat zuerst bei ihr geputzt und ist dann zum Nachbarhaus gegangen.”
„Ob er ehrlich ist?”
„Ja, grundehrlich – und ein guter Arbeiter. Trotzdem solltest du mit ihm reden.”
„Das werde ich bestimmt tun. Die Frau mit den Zeitschriften war vielleicht die Schwester vom Pfarrer. Sie verteilt das Kirchenblatt.”
„Was für Zeitschriften sie bei sich hatte, weiß ich nicht, aber die Dame machte einen anständigen Eindruck. Sie blieb nur kurze Zeit im Haus.”
„Und wer mag der gut angezogene junge Mann gewesen sein, der sich nur eine Minute aufgehalten hat?”
„Den kennst du doch. Er ging ja nachher noch einmal ins Haus, als ihr Kinder dort wart.”
„Ach, dann war es Wilfried, der Großneffe von Herrn Schauer. Er war also schon einmal im Holunderhaus, bevor wir kamen. Das ist ja interessant. Ich muß herausfinden, wo er wohnt.”
„Das junge Mädchen war gewiß die Enkelin von Herrn Schauer, die für ihn kocht und ihn auch sonst versorgt. Wen von den sechs Personen verdächtigst du denn am meisten?”
„Das kann ich wirklich nicht sagen. Am unverdächtigsten erscheint mir die Frau mit Zeitschriften. Trotzdem kann ich sie erst von der Liste streichen, wenn ich Beweise für ihre Unschuld habe. Zu dumm, daß Herr Grimm sie wahrscheinlich schon verhört hat! Das erschwert mir die Sache. Ein Polizist hat das Recht, die Leute auszufragen, aber ich habe das nicht.”
Frau Harris kam ins Zimmer und fragte, ob Dicki mit ihnen Tee trinken wolle.
Dicki schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir leid, aber ich muß mich an die Arbeit machen, sonst gewinnt Herr Grimm einen zu großen Vorsprung.”
Er dankte Monsieur Henri für die freundliche Auskunft und verließ das Haus. Das Pfarrhaus befand sich nicht weit vom Holunderweg entfernt. Er beschloß, sofort hinzufahren; vielleicht traf er die Schwester des Pfarrers an.
Und er hatte Glück. Als er vor dem Pfarrhaus bremste, kniete Fräulein Knittel im Garten und jätete Unkraut. Er stieg vom Rad, ging an den Zaun und sagte ihr guten Tag.
Sie lächelte ihm freundlich zu. „Guten Tag, Dietrich. Willst du zu meinem Bruder?”
„Nein, ich wollte Sie etwas fragen. Es handelt sich um den Diebstahl bei Herrn Schauer.”
„Ich habe schon gehört, daß man den armen alten Mann bestohlen hat”, entgegnete Fräulein Knittel mitleidig. „Kurz vorher war ich noch bei ihm und brachte ihm das Kirchenblatt. Seine Enkeltochter liest es ihm immer vor. Er saß ganz vergnügt in seinem Rollstuhl. Sein Radioapparat war so laut eingestellt, daß ich kaum mein eigenes Wort verstand.”
„Haben Sie nichts Verdächtiges im Haus bemerkt?” fragte Dicki.
„Nein, alles war wie gewöhnlich. Ich gab Herrn Schauer das Kirchenblatt und sprach noch ein paar Worte mit ihm. Ja, wenn man sein Geld zu Hause versteckt, führt man nur Diebe in Versuchung.”
„Das ist wahr. Vielen Dank für Ihre Auskunft. Ich dachte mir schon, daß Sie mir nicht viel helfen könnten, aber man kann ja nie wissen.”
„Woher wußtest du eigentlich, daß ich gestern bei Herrn Schauer gewesen bin?”
„Ach, ich hörte es zufällig.” Dicki drehte sein Rad um. „Auf Wiedersehn. Bitte grüßen Sie Ihren Bruder und seine Frau von mir.”
Nachdenklich radelte Dicki davon. Die verdächtige Person Nr. 1 „Frau mit Zeitschriften” konnten die Spürnasen von der Liste streichen. Es war klar, daß Fräulein Knittel nichts mit dem Diebstahl zu tun hatte. Herr Grimm schien noch nicht bei ihr gewesen zu sein, sonst hätte sie wohl etwas davon erwähnt. Eigentlich merkwürdig, daß er sie nicht sogleich verhört hatte, obwohl man die Schwester des Pfarrers kaum verdächtigen konnte.
Aber Herr Grimm hatte überhaupt nicht an Fräulein Knittel gedacht. Als Monsieur Henri ihm die „Frau mit Zeitschriften” beschrieben hatte, waren seine
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