Geheimnis der Leidenschaft
anderen Ort für sie als das Sonnental. Nirgendwo auf der Welt. Das wusste sie so sicher, wie sie ihren eigenen Namen kannte.
Hope bog von dem Weg ab und fuhr auf einen Pfad, der nicht viel mehr war als zwei Reifenspuren. In der Regenzeit wurden diese Fahrrinnen weich und waren wie klebriges Wachs, und später froren sie bei den kalten Nordwinden für kurze Zeit ein. Aber dann war es nicht mehr wichtig, dass die Wege unbefahrbar waren. In der Zeit der Winterregen und des Eises würde sie kein Wasser zu den weit voneinander entfernten Trögen bringen müssen.
Behemoth rumpelte und rutschte zur Seite wie ein störrisches Pferd, das entschlossen war, in den Stall zurückzukehren. Hope riss an dem Lenkrad und bemühte sich, den Wagen wieder in die Spur zu bringen. Die Schmerzen in ihrer Schulter sagten ihr, dass sie all ihre Kraft brauchen würde, um den schweren Segeltuchschlauch vom Wagen zu holen, ihn anzuschließen und ihn dann zu dem schweren Trog aus Stahl -zwischen dem versammelten durstigen Vieh hindurch - zu zerren. Doch wenigstens einmal musste sie das heute noch schaffen.
Eigentlich sollte sie es sogar noch zweimal machen.
Hope wollte lieber nicht daran denken. Der Wagen rumpelte über eine kleine Anhöhe auf den Brunnen zu, der ihren Namen trug.
Rio war dort und wartete.
4
Hope bremste den Wagen in einer Staubwolke ab und fuhr dann langsam auf den leeren Trog zu. Das Vieh, das das Wasser in Behemoths Tank roch, begann zu brüllen, drängte sich um den Wagen und machte es ihr unmöglich, noch näher an den Trog heranzufahren.
Ohne ein Wort schwang sich Rio in den Sattel und machte sich daran, das Vieh zur Seite zu treiben. Seine Stute arbeitete gut und präzise. Anmutig wirbelte sie auf den Hinterläufen herum und trieb das Vieh mit der Leichtigkeit eines gut trainierten Pferdes von dem Wagen weg. Rio war genauso geschickt. Er ritt schnell, führte die Stute und balancierte sein Gewicht aus und erleichterte somit der Stute die Arbeit. Sein Körper passte sich den Bewegungen des Pferdes geschmeidig an.
Rio und seinem schnellen Pferd war es zu verdanken, dass Hope den Wagen direkt neben dem leeren runden Trog abstellen konnte. Der Trog war groß, beinahe so groß wie ein Schwimmbecken und von der Fahrerkabine aus blickte Hope in den Trog.
Der Trog war leer.
Sie lauschte auf den Generator und hörte nur den Motor von Behemoth. Ihr Herz sank. Der Schalter zum Abstellen des Generators musste betätigt worden sein. Das bedeutete, dass es nicht mehr genug Wasser gab, um die Pumpe anzutreiben. Die Windmühle selbst drehte sich noch, doch alles, was sie nach oben bringen konnte, war ein Wasserstrahl, der gerade einmal so dicht war wie ihr kleiner Finger. Sobald das Wasser aus der Leitung in den Trog rann, leckte das Vieh die Feuchtigkeit sofort auf.
Hope sah, wie eine Kuh mit ihrer rosigen Zunge über das feuchte Metall fuhr. Eine eisige Kälte senkte sich in ihren Ma-
gen. Der Brunnen, von dem ihre ganze Ranch abhängig war, war beinahe trocken.
Die Erschöpfung, die sie bisher unterdrückt hatte, ergriff von ihr Besitz. Ein paar Sekunden lang schloss sie die Augen und kämpfte gegen die lähmende Angst an. Sie durfte die Ranch nicht verlieren.
Entschlossen schob sie die Angst und die Verzweiflung beiseite. Die Tür der Kabine klapperte und schlug dann hinter ihr zu, als sie aus dem Wagen sprang. Dem Vieh konnte sie leicht ausweichen, das wollte Wasser und nicht sie.
Sie blickte über die Herde, und überprüfte automatisch mit geübtem Auge ihren Zustand. Die Herefords waren schlank und hart. Zu schlank. Zu hart. Sie hätten glatt und geschmeidig sein sollen so wie Turners Vieh. Aber ihre Freilandrinder mussten meilenweit laufen und nach Gras suchen und dann wieder zurückwandern zu dem Trog, um zu trinken. Jeden Tag mussten sie ein wenig weiter laufen, um ihren Hunger zu stillen, und dann wieder ein wenig weiter zurück zum Wasser, um ihren Durst zu stillen.
Sie konnte nichts daran ändern, sie konnte nur um Regen beten und dafür sorgen, dass ihr Vieh genug Wasser hatte, wenn es zurückkam. Sie kniete sich unter den metallenen Bauch von Behemoth und machte sich an die Arbeit, insgeheim fluchte sie, während sie sich bemühte, die ausgebeulte und rostende Verbindung zum Ventil anzuschließen. Ihre Arme zitterten, und ihre Schultern verkrampften sich und warnten sie, dass sie am Ende ihrer Kraft angekommen war.
Sie spürte hinter sich eine kleine Bewegung, Stoff strich über ihr Bein, und dann war
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