Geheimnis der Leidenschaft
kräftigem Körperbau und lässiger Kraft, mit rabenschwarzem Haar und einem wachen Verstand und mit einem Schweigen so tief wie die Nacht.
Er hat es gehasst, Indianer genannt zu werden.
Sie fragte sich, ob Rio das auch hasste.
Als hätte er ihre unausgesprochene Frage gehört, zuckte Rio lässig die breiten Schultern und strafte so die dunklen Erinnerungen in seinen Augen Lügen. »Mein Vater ist nie wirklich erwachsen geworden. Er hat nie die Tatsache akzeptiert, dass es so etwas wie überwiegend weiß gar nicht gibt. Die Menschen sehen dich an und sehen nur, dass du nicht weiß bist.«
Es lag ein Zynismus in Rios Worten, der Hope schmerzte. Sie wollte ihm sagen, dass er sich irrte, doch sie wusste, dass er Recht hatte.
Allerdings nicht, wenn es um sie ging. »Wenn ich Sie ansehe«, erklärte sie ruhig, »dann sehe ich einen Mann. Einen guten Mann. Punkt.«
Er sah sie schnell von der Seite an. Ihre Stimme war genau wie ihr Gesichtsausdruck - entspannt. Er konnte ihre Worte akzeptieren oder nicht, aber das würde nichts an der Wahrheit ändern, mit der sie die Welt sah.
Mit der sie ihn sah.
Ohne zu wissen, was er tat, hob er die Hand, um ihre Wange zu berühren. Noch ehe er dies allerdings tun konnte, lenkte das Donnern von Hufen seine Aufmerksamkeit von Hope ab.
Storm Walker kam auf den Zaun zu, seine dunklen Hufe verursachten ein rhythmisches Donnern. Mitten auf der Weide standen Hopes vier noch verbliebene Stuten und beobachteten den Appaloosa-Hengst, der auf die Menschen zugaloppierte.
Der Hengst war es wert, beobachtet zu werden. Er war schwarz, bis auf einen weißen Strumpf und die weiße »Decke« mit den schwarzen Flecken auf seinem kräftigen Hinterteil. Storm Walker bewegte sich mit einer kraftvollen Anmut, die in Rio den Wunsch weckte, sich auf ihn zu schwingen und ewig weiterzureiten.
Mit dem geübten Blick eines Pferdekenners sah Rio, wie der Hengst am Zaun entlang tänzelte und die Menschen nickend begrüßte. Ruhig streichelte er den warmen, glänzenden Hals von Storm Walker.
Weder der Mann noch der Hengst fürchteten sich voreinander. Sie waren Freunde geworden, als Rio sich zum ersten Mal gegen den Zaun gelehnt und mit leisen, ruhigen Worten Storm Walker zu sich gelockt hatte. Seit dieser Zeit war Rio mindestens einmal am Tag auf die Weide gekommen, hatte ihn beruhigend berührt, ihm ein wenig Salz mitgebracht und hatte ihn mit einer Bewunderung betrachtet, die jedes Mal größer wurde, wenn der Hengst mit harmonischer Bewegung über die Weide galoppierte.
Storm Walker schnaubte gegen Rios Hut und seinen Hemdkragen. Lächelnd schob Rio die samtenen Nüstern beiseite.
»Du bist ein alter Softie, nicht wahr«, sagte er leise.
Hope stöhnte auf. »Aber nur, bis Sie in den Sattel steigen. Dann wird er dafür sorgen, dass Ihnen das Wechselgeld aus der Tasche fällt.«
»Er hat einen harten Gang?«, fragte Rio überrascht. »Er sieht aber gar nicht danach aus.«
»Oh, wenn er sich erst einmal beruhigt hat, dann ist er so sanft wie tiefes Wasser.« Sie hielt inne und fügte dann noch hinzu. »Aber diesen bösen Jungen zu beruhigen, ist eine knochenharte Arbeit, beinahe so, als würde man auf einem Erdrutsch dahingleiten. Er braucht viel mehr Bewegung, als er in der letzten Zeit bekommen hat. Es ist, als hätte er eine Sprungfeder in sich und suchte nach Abwechslung.«
»Das Wasser zu holen hat Ihnen wohl keine Zeit mehr gelassen, mit ihm zu trainieren«, meinte Rio verständnisvoll.
»Selbst wenn ich die Zeit hätte, kann ich es nicht riskieren, abgeworfen zu werden. Wenn ich mir einen Arm oder ein Bein breche, während ich versuche, Storm Walker zu bezwingen, dann werde ich mein Vieh verkaufen müssen, oder es wird verdursten.« Sie zuckte die Schultern. »Mein stolzer böser Junge wird warten müssen, bis es zu regnen beginnt.«
Rios Lächeln verschwand bei dem Gedanken daran, dass Hope auf dem großen Hengst saß und gegen den Zaun der Weide geworfen wurde. Dabei glaubte er nicht, dass sie eine schlechte Reiterin war. Er wusste, dass es nicht so war. Als sie Dusk geritten hatte, war Hope so anmutig und voller Selbstvertrauen im Sattel gesessen, wie sie sich auch auf dem Boden bewegte.
Aber Storm Walker war groß und hatte das aggressive Temperament eines Hengstes.
»Ist er ein gutes Pferd für karges Land?«, fragte Rio.
»Er wurde in den Ausläufern östlich von hier geboren und ist in den ersten drei Jahren seines Lebens frei herumgelaufen.«
»Wie Dusk. Sie lebte bis vor zwei
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