Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
beiden von dem Rotwein einschenkte, ohne auch nur einen Tropfen auf das Tischtuch zu kleckern.
»Wie ich sehe, sind die Diener nicht die Einzigen, die in der letzten Woche fleißig waren«, bemerkte sie leise und nahm einen Schluck von dem dunkelroten Wein.
»Darf ich Ihnen vorlegen?«, erkundigte er sich und fasste nach dem Löffel in einer Silberschüssel mit dampfendem Hühnerfrikassee.
»Sicher«, antwortete sie und beobachtete fasziniert, wie er auf beide Teller eine Portion tat.
Messer und Gabel verschmähend, nahm er seinen Löffel und begann zu essen. »Habe ich Grund zur Annahme, dass Ihnen das Kleid zusagt?«
Samantha strich das betreffende Gewand glatt. »Es ist fast so hübsch, wie es unpraktisch ist. Wie hat Meg es fertig gebracht, dass es mir so gut passt?«
»Sie hat ein Auge für dergleichen. Sie sagte, Sie seien nicht viel größer als meine jüngste Schwester Honoria.« Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Wenn ich mich ausschließlich auf Beckwiths Angaben verlassen hätte, hätten Sie das Kleidungsstück als Zelt tragen können.«
»Und was ist mit den Seidenschuhen? Soll ich annehmen, dass Sie einen ebenso talentierten Hufschmied haben?«
»Es hat Vorteile, so nah bei London zu wohnen. Beckwith tut es gut, von Zeit zu Zeit die Geschäfte in der Oxford Street aufzusuchen. Und es war für Mrs. Philpot nicht schwer, in Ihr Zimmer zu gehen und Ihre Stiefel auszumessen, während Sie beim Essen unten waren.«
»Die Dienerschaft in Fairchild Park ist so geschickt wie ihr Herr. Aber Sie müssen wissen, dass ich natürlich all diese schönen Dinge nicht behalten kann. Das würde sich nicht gehören.«
»Ach, kommen Sie. So sehr habe ich Sitte und Anstand nun auch nicht missachtet. Sie haben ja vielleicht bemerkt, dass keinerlei Unterwäsche dabei war.«
»Das ist schön und gut«, erwiderte Samantha süßlich und steckte sich einen wohlschmeckenden Bissen Hühnchen in den Mund. »Denn ich trage keine.«
Gabriels Löffel fiel scheppernd auf den Tisch. Er nahm einen tiefen Zug aus seinem Weinglas, schien aber Probleme mit dem Schlucken zu haben. »Ich muss gestehen, dass ich mein Gebrechen nie mehr bereut habe als jetzt«, gelang es ihm schließlich hervorzustoßen. Er räusperte sich, und seine Miene wurde ernster. »Ich hoffe, Sie nehmen nicht nur meine Geschenke an. Ich hoffe, Sie akzeptieren auch meine Entschuldigung für mein abscheuliches Benehmen neulich am Abend.«
Während Samantha verfolgte, wie er mit der Hand geduldig die Tischdecke nach seinem Löffel abtastete, verblasste ihr Lächeln. Der Löffel lag nur wenige Zentimeter von seinen suchenden Fingern entfernt, hätte aber genauso gut im Nebenraum sein können. »Ich fürchte, ich bin es, die um Vergebung bitten muss. Ich hatte nicht begriffen, welche Schwierigkeit Ihnen das Essen bereiten muss.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ein Messer und eine Gabel sind knifflig zu handhaben. Wenn ich das Essen nicht fühlen kann, kann ich es nicht finden .« Ein nachdenkliches Stirnrunzeln krauste ihm die Stirn. »Warum demonstriere ich es Ihnen nicht einfach?«
Seinen Stuhl zurückschiebend, erhob er sich, die Serviette in der Hand, und trat hinter sie. Samanthas Puls beschleunigte sich, als er sich über sie beugte. Sein Atem strich warm über den zarten Haarflaum in ihrem Nacken, sodass sie es bereute, ihre Locken hochgesteckt zu haben.
Ehe sie widersprechen konnte, hatte er ihr die Brille abgenommen. Strikt nach Gefühl vorgehend, rollte er die Serviette zusammen, legte sie ihr über die Augen und verknotete sie locker hinter ihrem Kopf.
Ohne das Kerzenlicht, um sie zu leiten, musste Samantha sich ganz auf Gabriel verlassen – seine Wärme, seinen Geruch, seine Berührung. Mit der Rückseite seiner Finger streifte er ihren Hals, weckte einen hilflosen Schauer, als sie erkannte, in welchem Ausmaß sie ihm ausgeliefert war.
»Wollen Sie sich an mir rächen, indem ich mein Frikassee mit den Fingern essen muss?«, fragte sie.
»Ich wäre nie so grausam. Nicht, wenn ein Blinder den anderen füttern soll.« Sie hörte das Rutschen von Porzellan, als er um sie herumgriff und eine Schüssel zur Seite schob, eine andere heranzog. »Versuchen Sie dies hier«, sagte er und drückte ihr die Gabel in die Hand.
Sich mehr als ein wenig lächerlich vorkommend, stach Samantha in das Gericht vor sich. Sie war sich nicht sicher, was ihr Ziel sein sollte, denn es rollte immer wieder weg. Nachdem sie es ein paarmal durch die Schüssel gejagt hatte,
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