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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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ich sterben würde. Hunt besitzt die schlimmsten Pferde, die ich je gesehen habe, und seine Flüche sind so unflätig, dass mir schon ein einziger von ihnen einen Schulverweis eingebracht hätte.“
    „Jeremy“, versuchte Annabelle entsetzt eine Entschuldigung. Ihr war unerklärlich, wieso Simon ihren Bruder so abscheulich behandelte. „Es tut mir …“
    „Es war zweifellos der allerschönste Nachmittag in meinem ganzen Leben“, fuhr Jeremy jubilierend fort. „Ich habe Hunt gebeten, morgen Nachmittag wieder mit mir auszufahren. Wenn er Zeit hat, tut er es. Ach, Annabelle, was ist das für ein Kerl! Oh Gott, jetzt muss ich erst einmal was trinken. Mir den Staub aus der Kehle spülen.“ Mit jugendlicher Begeisterung rannte er davon, während Mutter und Schwester ihm mit offenen Mündern nachstarrten.
    Am Abend nahm Simon seine Frau, deren Mutter und Bruder mit zu seinen Eltern. Die Wohnung über der Metzgerei bestand aus drei Zimmern und einem ausgebauten Dachgeschoss, das man über eine schmale Treppe erreichen konnte. Beim Betreten der Huntschen Wohnung, die zwar klein, aber sehr gut möbliert war, bemerkte Annabelle sofort, dass ihre Mutter diese Lebensweise ablehnte. Philippa konnte und wollte nicht verstehen, wieso die Hunts es vorzogen, hier und nicht in einem hübschen Stadthaus zu wohnen. Annabelle hatte verschiedentlich versucht, ihrer Mutter zu erklären, dass die Hunts sich weder ihres Berufes noch ihrer Zugehörigkeit zur arbeitenden Klasse schämten, eine Auffassung, die bei Philippa auf völliges Unverständnis stieß.
    Schließlich hatte Annabelle es aufgegeben, mit ihr über Simons Familie zu diskutieren. Sie hatte aber Jeremy gebeten, der Mutter klarzumachen, dass sie bei den Hunts keine abwertenden Bemerkungen über deren Lebensstil machen sollte.
    „Ich werde es versuchen“, hatte Jeremy gesagt. „Aber du weißt ja, dass Mutter noch nie viel Verständnis hatte für Leute, die zu einer anderen Gesellschaftsschicht gehören.“
    „Herrje, wieso können wir nicht einen Abend mit Leuten verbringen, die anders sind als wir?“, hatte Annabelle daraufhin verärgert gestöhnt. „Vielleicht könnten wir ja etwas von ihnen lernen. Oder gar den Abend genießen. Oh, wie schrecklich!“
    „Sei nicht zu streng mit ihr, Annabelle“, hatte Jeremy geantwortet und sie dabei mit einem merkwürdigen Lächeln angeschaut. „Es ist noch gar nicht so lange her, da hegtest du eine ähnliche Abneigung gegen Menschen der arbeitenden Klasse.“
    „Nein! Ich …“ Annabelle hatte ihren Bruder wütend angesehen und dann geseufzt: „Ach, du hast ja recht. Ich weiß allerdings nicht, warum. Arbeit schändet doch nicht, oder? Auf jeden Fall ist sie besser als Müßiggang.“
    „Du hast dich verändert, Annabelle“, hatte Jeremy darauf nur geantwortet.
    „Vielleicht ist das ja sogar ganz gut“, hatte Annabelle erwidert.
    Nun, da sie die enge Treppe zu den Privaträumen der Hunts hinaufstiegen, bemerkte Annabelle nicht nur die Abneigung der Mutter, sondern auch Simons leichte Unsicherheit. Zweifelsohne machte er sich Gedanken, wie seine Frau und seine Familie miteinander auskommen würden. Annabelle, die den Abend auf jeden Fall zum Erfolg werden lassen wollte, machte ein fröhliches Gesicht und verzog auch keine Miene, als sie den Lärm aus der Huntschen Wohnung hörte, Stimmen von Erwachsenen, Kindergeschrei und Geräusche, die klangen, als würden Möbel umgeworfen.“
    „Oh je“, rief Philippa entsetzt. „Das klingt ja wie …, wie …
    „Eine Schlägerei?“, half Simon ihr. „Könnte sein. In meiner Familie hört sich eine friedliche Konversation auch schon mal wie ein handfester Streit an.“
    Als sie das Wohnzimmer betraten, versuchte Annabelle die vielen Gesichter einzuordnen. Da war Sally, Simons ältere Schwester und Mutter eines halben Dutzend Kinder, die gerade wie Pamplona-Bullen durch die Zimmer stampften. Dann Sallys Mann, Simons Eltern, seine drei jüngeren Brüder und eine jüngere Schwester namens Meredith, die in dem ganzen Tumult seltsam fehl am Platz schien. Simon hatte Annabelle erzählt, dass er zu dieser dunkelhaarigen, ernsten Schwester ein besonders enges Verhältnis hatte, denn Meredith war ganz anders als ihre lauten, wilden Geschwister, sie war zurückhaltend und ein wenig weltfremd.
    Die kleineren Kinder umringten sofort Simon, der erstaunlich gut mit ihnen umgehen konnte. Er warf sie in die Luft, begutachtete gleichzeitig eine neue Zahnlücke und putzte eine laufende

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