Geheimnisse einer Sommernacht
viel über die Vorzüge einer Heirat mit Simon nachgedacht hatte, sich aber niemals die Frage gestellt hatte, was sie selbst ihm geben könnte.
Kurz überlegte sie, ob sie Simon gegenüber erwähnen sollte, dass sie sein Gespräch mit seiner Mutter belauscht hatte, aber verwarf den Gedanken sofort wieder. Er würde sich nur gezwungen fühlen, sie seiner Liebe zu versichern oder sich gar für seine Mutter zu entschuldigen. Das war nicht nötig. Es brauchte einfach Zeit, Simon zu beweisen, welche Werte Annabelle besaß, für ihn, für seine Familie und vielleicht auch für sich selbst.
Später am Abend, als Simon und Annabelle zurück im Rutledge-Hotel waren, legte Simon seine Hände auf Annabelles Schultern. „Danke“, sagte er.
„Wofür?“
„Dass du so freundlich zu meiner Familie warst.“ Er küsste sie auf die Stirn. „Und dafür, dass du dir nicht hast anmerken lassen, dass sie so ganz anders sind als du.“
Annabelle wurde rot vor Freude über sein Lob. „Ich habe den Abend genossen“, log sie.
Simon grinste. „So weit musst du nicht gehen.“
„Na ja, vielleicht gab es ein paar Situationen …, als dein Vater von den Eingeweiden der Tiere sprach, oder als deine Schwester erzählte, was das Baby im Badewasser macht, aber im Großen und Ganzen waren alle sehr, sehr …“
„Laut?“, schlug Simon mit glänzenden Augen vor.
„Nein, nett wollte ich sagen.“
Simon massierte ihren Nacken. „Alles in allem betrachtet machst du dich als Frau eines gewöhnlichen Bürgers recht gut.“
„So schlecht ist es ja auch nicht“, meinte sie, während sie mit leichter Hand über seine Wölbung strich und ihm dabei kokette Blicke zuwarf. „Ich kann eine Menge übersehen für dieses beeindruckende, wohlgefüllte …“
„Bankkonto?“
Annabelle lächelte vielsagend und glitt mit der Hand unter den Gürtel seiner Hose. „Nicht das Bankkonto“, wisperte sie, bevor er ihr mit einem Kuss den Mund verschloss.
Am folgenden Tag traf sich Annabelle mit Lillian und Daisy, deren Suite im selben Flügel des Rutledge-Hotels lag wie ihre eigene. Johlend fielen sich die drei in die Arme, und erst Mrs. Bowmans Bitte um Ruhe beendete den geräuschvollen Wiedersehensjubel.
„Wo ist denn Evie? Und wie geht es ihr?“, erkundigte sich Annabelle, während sie untergehakt mit Daisy ins Empfangszimmer der Suite ging.
„Gar nicht so gut“, erklärte Daisy seufzend. „Der Zustand ihres kranken Vaters hat sich verschlechtert, er ist nun bettlägerig. Als Evie sich vor zwei Wochen heimlich aus dem Haus schleichen wollte, um ihn zu besuchen, hat man sie erwischt. Seitdem halten Tante Florence und die übrige Familie sie unter Arrest.“
„Für wie lange?“
„Auf unbestimmte Zeit.“
„Was für grässliche Leute“, schimpfte Annabelle leise. „Am liebsten würde ich Evie befreien.“
„Das wäre vielleicht ein Spaß“, überlegte Daisy, der die Idee sofort gefiel. „Wir sollten sie kidnappen. Wir könnten eine Leiter an ihr Fenster stellen und …“
„… Tante Florence jagt die Hunde auf uns“, protestierte Lillian. „Auf dem Grundstück laufen nachts zwei riesige Mastiffs herum.“
„Die könnten wir mit ein paar präparierten Fleischstücken betäuben“, hatte Daisy sofort eine Lösung parat. „Und während sie schlafen …“
„Ach, vergiss deine verrückten Pläne“, schimpfte Lillian. „Ich will von Annabelles Hochzeitsreise hören.“
Zwei braune Augenpaare waren sofort interessiert auf Annabelle gerichtet. „Nun? Wie war es?“, fragte Lillian. „So schmerzhaft, wie alle sagen?“
„Raus damit, Annabelle“, drängte Daisy. „Denk daran, dass wir uns versprochen haben, uns alles zu erzählen.“
Annabelle lächelte versonnen. Es gefiel ihr, etwas zu wissen, was den beiden noch ein Geheimnis war. „Nun ja, manchmal war es schon ziemlich unangenehm“, gab sie zu. „Aber Simon war sehr lieb und rücksichtsvoll. Und obwohl ich ja keine vergleichbaren Erfahrungen hatte, könnte ich mir keinen besseren Liebhaber vorstellen.“
„Was soll das heißen?“, fragte Lillian.
Eine leichte Röte glitt über Annabelles Wangen. Sie suchte nach Worten, plötzlich fiel es ihr schwer, zu erklären, was sie erlebt hatte. Die Technik, die ließ sich beschreiben, aber das zärtliche Zusammenfinden in einer solch intimen Beziehung, die konnte man keinem anderen vermitteln. „Die Intimität ist größer als man sich vorstellen kann. Zunächst will man vor Scham sterben, aber dann gibt es
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