Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
bereit dafür war, würde er ihr alles berichten, was er sie wissen lassen wollte.
Als er sich sicher war, dass Kathryn nicht mehr wach war, verließ Lorenzo das Bett und brachte seine Kleider ins Nebenzimmer. Er zog sich an, bevor er nach unten ging. Er hatte sich schlafend gestellt, damit sie Ruhe fand. Aus Angst, dass seine Alpträume sie stören könnte, vermochte er nicht neben ihr einzuschlafen. Sie waren zwar in letzter Zeit nicht mehr vorgekommen, aber früher war er von ihnen aufgewacht. Wieder und wieder hatte er einen Namen geschrien, sein Körper war dabei mit Schweiß bedeckt, und manchmal schlug er mit den Fäusten oder mit den Füßen um sich. Er wollte es lieber nicht riskieren, seine Frau zu verletzen. Außerdem wollte er nicht, dass sie ihn so sah.
Er fasste mit den Fingern nach den Lederbändern und rieb an den alten Wunden. Manchmal waren die Schmerzen beinahe unerträglich. Er fragte sich, ob sie vielleicht teilweise durch die Armbänder selbst verursacht wurden, aber er konnte sich nicht dazu überwinden, sie abzulegen und der ganzen Welt die Zeichen seiner Schmach zu zeigen. Kathryn war vor den Narben auf seinem Rücken nicht zurückgeschreckt – aber er hasste die Male, hasste das, wofür sie standen. Er hasste die Erinnerung an seine Sklaverei, an die erniedrigende Erfahrung zu wissen, dass er seinen Herren gehorchen musste, an die scharfen, stechenden Schmerzen der Peitschenhiebe.
Wie lange würde es dauern, bis Kathryn ihn fragte, wer er wirklich war? Er konnte ihr keine Antwort darauf geben, denn seine Vergangenheit war ihm immer noch ein Rätsel, obgleich er oft darüber nachdachte, seit die Träume angefangen hatten.
Hatte ihm die Fantasie nur einen Streich gespielt – oder konnte er sich wirklich daran erinnern, als Knabe von kaum fünfzehn Jahren von Korsaren geraubt worden zu sein? Wenn dem so war, musste er jetzt sechsundzwanzig sein, doch er wusste, dass er älter aussah. Die Jahre der Sklaverei und das harte Leben auf See hatten zwangsläufig ihre Spuren bei ihm hinterlassen.
Nein, es war Wahnsinn, seine Gedanken in diese Richtung wandern zu lassen. Er hatte Kathryn bereits in sein Innerstes gelassen, und das hatte ihn verändert. Ihretwegen hatte er Rachids Sohn das Leben geschenkt und ihn gegen ein Mädchen eingetauscht, das ihnen wahrscheinlich noch Ärger machen würde, wenn seine Instinkte sich als richtig erwiesen.
Er runzelte die Stirn, als er an das Mädchen dachte, das in seinem Gästezimmer schlief. Maria war jung, und er hätte Mitleid für sie empfinden sollen, aber irgendwie gelang ihm das nicht. Sie hatte ihn genauso angesehen wie die Dirnen, die auf der Straße ihrem Gewerbe nachgingen, und er traute ihr nicht.
Maria behauptete, dass sie in den Harem des Sultans verkauft werden sollte, aber Lorenzo hatte etwas in ihren Augen gesehen, das nicht oft in den Augen einer unbefleckten Jungfrau zu finden war – etwas Wissendes. Vielleicht tat er ihr Unrecht, aber er hatte den Verdacht, dass sie eine von Rachids Konkubinen gewesen war – und dass ihr die Erfahrung gefallen hatte. Er vermutete, dass sie über die Trennung von Rachid wütend war, und dort der Grund für ihr Elend lag.
Sie hatte ihn und Kathryn gebeten, sie in ihrem Haus zu behalten. Sie sagte, dass ihr Vater sie in ein Kloster stecken würde, weil sie Schmach über ihre Familie gebracht hatte. Ihr konnte keine Schuld für das gegeben werden, was ihr widerfahren war, es sei denn … Wenn sie in Rachids Harem die Position der Favoritin genossen hatte, so konnte das der Grund für ihre Angst sein, von ihrer Familie zurückgewiesen zu werden.
Er würde sie genau beobachten müssen, entschied Lorenzo, als er das Haus verließ. Und er würde ein anderes Zuhause für sie suchen, bevor er wieder in See stach – sei es bei ihrem Vater oder wo auch immer.
8. KAPITEL
Ich mag dieses Mädchen nicht“, sagte Elizabeta zu Kathryn, als die beiden ein paar Tage später zusammen spazieren gingen. „An ihr ist irgendetwas … etwas Gerissenes, besonders an der Art, wie sie Euch und Lorenzo ansieht, vor allem Lorenzo. Seid bei ihr auf der Hut und glaubt nichts von dem, was sie Euch sagt.“
„Oh, Ihr seid zu streng mit ihr“, erwiderte Kathryn mit einem Lächeln, um die Worte zu mildern, denn Elizabeta war vielleicht die Freundin, mit der sie am liebsten zusammen war. Sie konnte ihr nicht erklären, was Maria zugestoßen war, denn sie wollte die Chancen des Mädchens, selbst Freundinnen zu finden, nicht
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