Geheimnisvoll wie der Orient
können. Ich weiß nicht, ob du adrenalinsüchtig bist oder einfach nur ein eitler Wichtigtuer. Jedenfalls …“
Sie unterbrach sich, um Luft zu holen, und bemerkte zu ihrem Entsetzen, dass sie ihm ihre Worte laut ins Gesicht geschrien hatte. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. Nervös erwartete sie Tairs Reaktion auf ihren viel zu emotionalen Ausbruch. Wenn sie sich nicht besser in die Gewalt bekam, würde er bald merken, wie es um sie stand. Und das wäre unerträglich.
Seine Augen verbargen sich hinter der spiegelnden Sonnenbrille und boten keinen Anhaltspunkt für seine Gedanken. Als sie schon dachte, er würde überhaupt nichts sagen, ließ er geräuschvoll den angehaltenen Atem entweichen.
„Ich bin adrenalinsüchtig“, gestand er.
Er nahm die Brille ab. Ein Blick aus seinen azurblauen Augen genügte, und um Mollys dürftige Selbstbeherrschung war es geschehen.
„Wenn du mich heiratest, kannst du mich bändigen.“
„Ich will dich aber nicht bändigen.“ Warum sollte ich ihm gerade das abgewöhnen, was ich so anziehend an ihm finde?
„Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.“
Beunruhigt von dem, was sie in seinen Augen las, blickte sie zu Boden und erwiderte schulterzuckend: „Ich kann einfach kein Blut sehen.“
„Sei doch nicht so kratzbürstig, Molly. Ich kam mir gerade so großartig vor.“
Sie hob den Kopf und wollte ihm schon eine gepfefferte Antwort auf seine ironische Bemerkung erteilen, da sah sie, dass seine Augen diesmal nicht auf die gewohnte Art zynisch funkelten.
Sein Blick verriet etwas ganz anderes. Sie las darin Begehren und Sehnsucht. Voller Panik sagte sie das Erste, was ihr in den Sinn kam. Meistens keine gute Idee, und diese Situation stellte keine Ausnahme dar.
„Du bist großartig und du siehst fantastisch aus.“
Sie unternahm einen letzten, völlig vergeblichen Versuch, gleichgültig zu erscheinen. „Ich wirke sicher, als würde ich mich um einen Platz in deinem Harem bewerben. Aber lass dich nicht täuschen, ich habe das Kleid nicht für dich angezogen.“
„Natürlich nicht“, sagte er beschwichtigend. Doch der amüsierte Unterton in seiner Stimme war ihr nicht entgangen und brachte sie erneut in Harnisch.
„Und du würdest den Platz bekommen“, fügte er mit rauer Stimme hinzu.
„Das könnte dir so passen. Aber ich habe nicht vor, mich den zahllosen Frauen anzuschließen, die alles tun würden, um deine Aufmerksamkeit zu erregen.“
„Das wird auch nicht nötig sein. Als meine Ehefrau kannst du dir meiner ständigen und ungeteilten Beachtung gewiss sein.“
Unmöglich, die Kühle und Distanzierte zu geben, wenn alles in ihrem Inneren dahinschmolz und sie an nichts anderes mehr denken konnte als an seine Lippen auf ihren. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder gefasst hatte. „Sobald meine eigenen Kleider trocken sind, möchte ich sie …“ Sie verstummte beim Anblick der unverhüllten Begierde in seinen Augen.
Eine Welle der Lust überrollte sie und spülte alle vernünftigen Gedanken fort.
„Ich kann meine Augen nicht von dir abwenden“, flüsterte er.
„Sag so etwas bitte nicht.“
„Ich dachte, du wolltest die Wahrheit hören.“
„Normalerweise schon. Aber seit ich hier bin, scheint alles auf den Kopf gestellt. Ich kenne mich selbst nicht mehr.“ Die Frau, die ihr mit leuchtenden Augen und einem geheimnisvollen Lächeln im Spiegel entgegengeblickt hatte, war das wirklich sie selbst gewesen? Sie hatte sich doch noch nie vorher in jemanden verliebt!
Tair verstand ihre Verwirrung nur zu gut.
Auch für ihn hatten Gefühle bisher keine große Rolle gespielt. Wenn er sich mit einer Frau traf, dann sprach er nicht über die Zukunft. Er neigte nicht dazu, sich Gedanken über sein Seelenleben zu machen, und schätzte diese Eigenschaft auch nicht bei anderen.
Verletzlichkeit war für ihn keine Tugend. Deshalb verstand er nicht, warum der hilflose Blick in Mollys Augen und das Zittern in ihrer Stimme völlig unbekannte Regungen in ihm auslösten. Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen und ihr Mut zugesprochen.
Er wollte nicht weiter darüber nachdenken, woher dieser Impuls kommen mochte, und streichelte ihr nur zart über die Wange. Die Gefühle, die er ihr gegenüber empfand, übertrafen alles, was er je von einer Beziehung, ehelich oder nicht, erwartet hatte. Das Bedürfnis, sie zu beruhigen, wich schnell einer drängenden Begierde, als er ihre zarte Haut
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