Geheimnisvolle Palmblätter: Ist unser Leben Schicksal oder Zufall, Karma oder Chaos? (German Edition)
man die Höhle von Trophonius, die eigentlich viel zu eng war, um einen Menschen aufzunehmen. Der Fragesteller legte zunächst sein Opfer zu Füßen einer Statue nieder, legte sodann besondere, geheiligte Gewänder an, erklomm den Hügel, wo sich die Höhle befand, mit einem Honigkuchen in einer Hand, und setzte sich am Rande der schmalen ™ffnung nieder, wobei er seine Füße in die Höhle steckte. Daraufhin soll sein ganzer Körper wundersam wie mit einem Ruck in die ™ffnung hineingezogen worden s ein. Am Ende seiner Lesung wurde der Fragesteller wieder gewaltsam und mit den Füßen zuerst aus der Höhle herausgeschleudert.
Nahe der Höhle sprudelten zwei Quellen mit angeblich bemerkenswerten Eigenschaften aus der Erde, aus der die Ratsuchenden vor ihrem Besuch in der Höhle zu trinken aufgefordert wurden. Wenn man von der einen trank, vergaß man all seine irdischen Sorgen. Die andere schenkte die Gabe der Erinnerung an das, was sich später während der Zeit in der Höhle ereignen sollte.
Forscher gehen davon aus, daß die Fragesteller auch mit Hilfe von bestimmten Kräutern und Drogen in traum-, visions- oder rauschähnliche Zustände versetzt wurden, in denen sie allerlei Bilder erlebten, die später im Hinblick auf ihre Fragen interpretiert werden mußten.
Die sybillinischen Orakelbücher, die einige Tausend Hexameter mit prophetischen Sprüchen enthalten, sollen aus dem alten Ägypten stammen und mit Weissagungen aus griechischen und römischen Quellen angereichert worden sein. Manche Forscher (so R J Stewart) datieren ihre Entstehung allerdings auf eine spätere Zeit, nämlich ins erste nachchristliche Jahrhundert. Auf jeden Fall waren sie weitverbreitet: in Italien, Spanien und Frankreich – Nostradamus hat sich daraus freizügig bedient – und sogar in Island fand man gedruckte Ausgaben davon.
Als der römische Kaiser Julianus, der nach Vandenberg ein Leben lang zwischen dem neuen Christentum und den alten „heidnischen“ Traditionen geschwankt haben soll, nach dem Orakel von Delphi schickte, um zu erkunden, wie es wiederbelebt werden könnte, wurde ihm angeblich diese Antwort zuteil:
„Künde dem König, das schöngefügte Haus ist gefallen.
Phoibos Apollon besitzt keine Zuflucht mehr, der heilige
Lorbeer verwelkt,
Seine Quellen schweigen für immer, verstummt ist das
Murmeln des Wassers.“
(Zitiert aus Das Geheimnis der Orakel, S.340; siehe Literaturhinweise.)
395 nach Christus ließ der nunmehr ganz und gar christliche römische Kaiser Theodosius das Orakel von Didyma schließen, 398 gab sein Sohn Arkadios den Auftrag zum Abriß des Orakeltempels in Delphi. Der intellektuellen redlichkeit halber will ich nicht versäumen anzumerken, daß bei vielen der in vollendet gedrechselten Hexametern überlieferten Orakelsprüche bezweifelt wird, ob die jewielige Pythia das alles wirklich so gesagt habe. Manche Forscher gehen davon aus, daß die Orakelpriester und spätere Dichter diese Form der Verse erst aus und nach dem vermutlich sehr viel kürzeren und schlichteren Spruch der Pythia geschmiedet haben.
Prophezeiungen in Christentum und Judentum
Obwohl in der paulinisch geprägten christlichen Kirche Orakelsprüche meist als Teufelswerk angesehen wurden, finden wir doch in der Bibel ganze Bücher voller Prophezeiungen, die auch dementsprechend heißen.
Das geht vom Buch „Der Prophet Jesaja“ über Jeremia, Hesekiel, Daniel und elf weitere „Propheten“ bis zum Buch „Der Prophet Maleachi“ und zur Johannesoffenbarung.
Die Heilige Schrift beschreibt nicht nur die Schöpfungsgeschichte aus jüdisch-alttestamentarischer Sicht und berichtet nicht nur über die Vor- und Frühgeschichte der sie tragenden Stämme, sie verkündet nicht nur die Worte des Jesus von Nazareth (soweit sie von Zeitgenossen und später Lebenden aufgezeichnet worden sein mögen), sondern sie räumt Prophezeiungen, die für die gesamte Menschheit gelten sollen, breitesten Raum ein. Orakel im weitesten Sinne galten uns Menschen immer etwas. Hall fragt zu Recht: „Falls die Onyxsteine auf den Schultern des Hohepriesters Israels den Willen Jehovas durch ihr Aufblitzen kundtaten, dann konnte eine schwarze Taube, die vorübergehend die Gabe der Sprache besaß, tatsächlich Orakelsprüche im Tempel des Jupiter Ammon offenbaren. Falls die Hexe von Endor den Schatten Samuels beschwören konnte, der wiederum Saul Weissagungen weitergab, konnte nicht eine Priesterin des Apollo den Geist ihres Schutzpatrons herbeirufen, um
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