Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
Eigentlich konnte ich mich schon jetzt kaum noch bewegen. Ich hatte mich noch nie gerne bewegt, und spätestens ab dem sechsten Monat hätte ich sämtliche Petitionen für einen verlängerten Mutterschutz unterschrieben. Dabei war Udo sogar sehr gut zu mir. Ohne dass ich darum gebeten hätte, hatte er meine Arbeitszeiten inzwischen drastisch reduziert. Lange Fahrten waren tabu, mein Wirkungskreis wurde auf Köln und Umgebung eingeschränkt, und ich bekam mindestens zwei Tage, manchmal sogar drei Tage in der Woche frei, als Ersatz für die Wochenendarbeit. Erst hatte ich mich noch gegen die Sonderbehandlung gewehrt, weil ich nicht heimlich ausrangiert werden wollte. Aber Udo hatte mir hoch und heilig versprochen, mich nach der Geburt wieder voll zu beanspruchen, Nachtarbeit und Siebentagewoche inklusive.
Trotz der vielen freien Tage hatte ich noch nicht die geringsten Vorbereitungen für meinen zukünftigen Mitbewohner getroffen. Teils aus Verdrängung – Kinderwagen und Wickeltisch ließen die Geburt für meinen Geschmack viel zu nah rücken. Teils aber auch aus Egoismus. Das Baby würde noch genug Zeit von mir in Anspruch nehmen, da wollte ich wenigstens jetzt noch meinen eigenen Hobbys nachgehen, die sich im Gegensatz zu Tims Hobbys sehr gut mit der Schwangerschaft vereinbaren ließen.
Tim kannte meine Trägheit nur zu gut und ahnte vermutlich, dass das Kinderzimmer noch nicht eingerichtet war. Ganz abgesehen davon, dass es in meiner Wohnung eigentlich keinen Platz für ein Kinderzimmer gab. Schon die Unterteilung meiner Zweizimmerwohnung in Schlaf- und Wohnzimmer war rein willkürlich. Meine Klamotten verteilten sich genauso wie meine Bücher und meine Arbeitsunterlagen gleichmäßig über die ganze Wohnung, ich konnte im Bett und auf dem Sofa schlafen, und wenn ich zu Hause arbeitete, war mein Arbeitszimmer da, wo mein Laptop Platz fand. Für ein Kinderzimmer müsste ich anbauen oder zumindest aufräumen. Aber die ganze Logistik des Kinderkriegens überforderte mich schlichtweg, und ich war froh, dass Tim diese Aufgabe noch rechtzeitig übernommen hatte.
Er klingelte nicht einmal zehn Minuten später an der Tür und wartete mit seinem BMW im Halteverbot auf mich. Ich plumpste wie ein Kartoffelsack auf den Beifahrersitz.
»Hallo. Hey, du warst ja beim Friseur. Wurde aber auch Zeit.«
Er musste gerade erst da gewesen sein, denn seine Haare waren mit viel Gel und wenig Geschmack nach vorne gekämmt worden. Ich konnte mich nicht davon abhalten, sie mit einer kurzen Handbewegung durcheinanderzubringen. Ich wollte nicht aufdringlich sein, aber ich fand es auch albern, jeden Körperkontakt krankhaft zu vermeiden, nur weil wir uns getrennt hatten. Es war schon schwer genug, Tim nicht mehr zu küssen oder zu umarmen, da war ein bisschen Haarewuscheln ja wohl noch drin. Tim fuhr sich grinsend selbst durch die Haare und versuchte, sie wieder in Form zu bringen. Das alte Spiel.
»In Nippes ist Flohmarkt. Sollen wir mal gucken, ob wir da was finden?«
»Gute Idee.«
Etwas Gebrauchtes konnte bei den vielen Anschaffungen, die anstanden, kaum schaden, auch wenn wir nicht unbedingt aufs Geld achten mussten. Ich verdiente zum ersten Mal in meinem Leben genug, und Tim war reich. Zumindest war er das, was ich mir unter reich vorstellte. Zehn Profijahre in der Bundesliga hatten ihm genügt, um sich ein kleines Vermögen anzusparen, auch wenn Tim selten über die Mittelmäßigkeit eines Ersatzstürmers hinausgekommen war. Ich wusste nicht, wie viel Geld er tatsächlich besaß, ich hatte immer auf getrennter Haushaltsführung bestanden, aber ich wusste inzwischen, wie viel ein durchschnittlicher Fußballspieler verdiente. Mit dem richtigen Anlageberater hätte Tim sich vermutlich schon jetzt in einer Doppelhaushälfte in irgendeinem langweiligen Kölner Vorort zur Ruhe setzen können. Aber Tim machte sich nicht viel aus Geld. Im Gegenteil, er hatte sich immer bewusst gegen das übliche Luxusleben eines Fußballers entschieden.
Als ich ihn kennenlernte, wohnte er noch in der Wohnung gegenüber, die genauso klein und schlecht geschnitten war wie meine. Damals waren wir nur Nachbarn – aber was für welche. Ich musste an den Beginn unserer Beziehung denken und wurde fast sentimental. Obwohl es kein wirklich romantischer Anfang gewesen war. Kein einfaches »Du bist nett, ich liebe dich, lass uns zusammenbleiben«. Nein, damals hatten wir uns ein Jahr lang gegenseitig auf die Palme gebracht, gestritten, bekämpft, waren wie
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