Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
kleines ›Hallo, mich gibt es jetzt auch‹, aber nein, das Baby muss sich ja gleich mit Fußtritten bemerkbar machen, besonders nachts.« Ich blinzelte Tim gegen die untergehende Sonne an und sah, dass sich ein Lächeln auf seine Lippen gestohlen hatte. »Willst du vielleicht mal fühlen?«
»Ähm, ja, gerne, wenn es dir nichts ausmacht?«
Ich öffnete meinen Parka, und Tim strich schüchtern über meinen dicken Wollpulli, als wäre mein Körper ihm fremd und er damals gar nicht an diesem Resultat beteiligt gewesen. Ich nahm seine Hand und schob sie unter den Pullover. Seine Hand war warm, und ich hatte das Gefühl, meine Haut glühte an der Stelle, wo er mich berührte. Er traute sich nicht, seine Hand zu bewegen. Sie lag einfach nur da, direkt auf meinem Bauchnabel, bis ich meine Finger über seine legte und sie führte.
»Ich bin zwar keine Ärztin, aber in diesem Bereich müssten ungefähr die Füße sein«, flüsterte ich. »Zumindest tritt es mich da immer.«
Ich lächelte Tim verlegen an. Wir streichelten einen Moment lang gemeinsam meinen strammen Bauch, seine Hand unter meiner. Unsere Finger verhakten sich ineinander. Ganz leicht. Plötzlich zog Tim meine Hand unter dem Pulli hervor und hielt sie fest. Irritiert hob ich den Kopf, aber Tim wandte seinen Blick von mir ab, auf unsere Hände.
»Karina«, fing er an, und ich wagte kaum zu atmen. Ich hatte nicht im Traum damit gerechnet, dass Tim mir noch mal eine Chance geben würde. Aber jetzt sah alles danach aus.
»Ich weiß, ich sollte das nicht fragen«, fuhr Tim langsam fort. »Ich will nur nicht denken müssen, ich meine, nach diesem ganzen Chaos … bist du dir wirklich sicher, dass das Kind von mir ist?«
Das saß. Mir entglitten alle Gesichtszüge, so wenig hatte ich mit dieser Frage gerechnet. Sie rückte das Bild wieder zurecht, das Tim sich längst von mir gemacht hatte. Von seiner Perspektive aus mochte die Frage sogar berechtigt sein. Trotzdem verschlug es mir die Sprache. Ich zog meine Hand zurück und nickte fast wie in Trance. »Ja.«
Tim wurde plötzlich hektisch. Er schaute auf seine Armbanduhr und sagte, ohne mich dabei anzuschauen: »Ich muss dann jetzt weg.«
Er vergrub seine Hände wieder tief in den Jackentaschen und rief mir im Gehen zu: »Ich melde mich bei dir.«
Ich sah ihm nach und dachte an das letzte Mal, als er sich bei mir melden wollte.
Opa mit dreißig
Diesmal meldete Tim sich nach nur zwei Tagen. Ich hatte unser Gespräch mit Tina analysiert, und wir waren beide zu dem Ergebnis gekommen, dass es den Umständen entsprechend ganz gut verlaufen war. Den Dämpfer zum Abschluss hatte ich Tina allerdings verschwiegen.
»Tim ist von der väterlichen Sorte, Schätzchen, keine Angst. Wenn er das Baby einmal im Arm hat, wirst du selbst ums Windelnwechseln betteln müssen, glaub mir«, hatte Tina gesagt.
Dass Tim sich allerdings so schnell in seine Vaterrolle hineinsteigern würde, hatte ich nicht erwartet. Er rief an, als ich es mir gerade mit einer Kanne Tee und einem Krimi auf dem Sofa bequem gemacht und mir vorgenommen hatte, die Mittagspause gleich bis zum Abend auszudehnen. Schon als ich seinen Namen auf dem Handy-Display sah, fing mein Herz an zu rasen. Ich dachte daran, wie lange und vergeblich ich noch vor ein paar Monaten auf genau diese Anzeige im Display gewartet hatte. Jetzt meldete er sich unverschämt früh und versuchte noch nicht einmal, seine Nervosität zu verbergen.
»Hi, Karina, ähm, was … was machst du gerade? Bist du … bist du beschäftigt?«, stammelte er, weil er immer leicht ins Stottern geriet, wenn er aufgeregt war.
»Ein bisschen. Ich bereite gerade meinen nächsten Artikel vor. Wieso?«, fragte ich einigermaßen abgeklärt, weil ich meine Deckung diesmal nicht zu schnell aufgeben wollte.
»Hast du später Zeit? Ich dachte, wir sollten vielleicht anfangen, die wichtigsten Sachen für das Baby zu besorgen, bevor … ähm, bevor …«
»Bevor ich mich gar nicht mehr bewegen kann«, half ich aus.
Tim lachte. »Ja, so ungefähr.«
»Gute Idee. Jetzt gleich?« Jegliche Deckung war überflüssig, schließlich hatte Tim den Anfang gemacht.
»Gerne. Bist du zu Hause? Ich kann dich abholen, ich sitze sowieso schon im Auto, bin eh gerade in der Gegend.«
Er war nicht gerade in der Gegend. Er rief noch nicht einmal vom Auto aus an, denn im Hintergrund konnte ich deutlich Chris’ aktuelle Hip-Hop-CD hören. Aber ich ließ mich trotzdem von ihm abholen.
Ich hievte mich vom Sofa.
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