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Geheimnummer. Kein Sex nach Plan

Geheimnummer. Kein Sex nach Plan

Titel: Geheimnummer. Kein Sex nach Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Leipert
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musste ich mich beherrschen, ihm nicht durch die Haare zu fahren, nicht plötzlich aus Gewohnheit seine Hand zu nehmen oder ihn sogar zu küssen. Als wir einmal vor einer Regalreihe voller Schnuller standen, hätte ich es beinahe getan. Er beugte sich ein wenig nach unten, um besser lesen zu können. Sein Hals war direkt vor meinem Gesicht. Ich starrte auf die Stelle in der Beuge zwischen Hals und Schulter. Seine Haut war dort so unglaublich weich. Ich bewegte meinen Kopf wie hypnotisiert nach vorne, wollte die Stelle unbedingt mit meinen Lippen berühren, aber dann drehte er sich zu mir um. Er hatte die ganze Zeit mit mir geredet, und ich nickte schnell, obwohl ich kein Wort mitbekommen hatte. Das war nicht das einzige Mal gewesen, aber meistens hatte ich mich besser im Griff.
    Trotzdem konnte es so nicht ewig weitergehen. Wir befanden uns definitiv in einem Zwischenstadium, ich wusste nur nicht, zwischen was. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir eine von diesen Pseudofamilien wurden und Tim sein Kind regelmäßig zum Spielplatz oder Drachensteigenlassen abholte und es dann brav abends wieder bei Mami ablieferte. Genauso wenig konnte ich mir eine Zukunft ganz ohne Tim vorstellen. Ich war mehr als bereit, wieder da weiterzumachen, wo wir vor ein paar Monaten unter ziemlich unglücklichen Umständen aufgehört hatten.
    Und Tim? Ich ertappte ihn ab und zu dabei, wie er mich heimlich anstarrte. Dann hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas sagen wollte. Dass wir uns langsam wieder näherkamen.
    Als er mich nach unserem großen 3-D-Ultraschalltermin zur Redaktion zurückfuhr, war wieder so ein Moment. Wir standen beide noch unter dem Eindruck der ersten gestochen scharfen Bilder unseres Babys und waren ziemlich aufgedreht.
    »Gib zu, du hast hingeguckt«, zog ich Tim auf, weil ich wusste, dass er endlich wissen wollte, ob es ein Junge oder ein Mädchen wurde.
    »Nein, ich habe dem Arzt extra gesagt, er soll seine Hand davor halten. Ich will dir doch nicht den Spaß verderben!«
    »Das glaube ich dir nicht. Dafür bist du viel zu neugierig.«
    »Nein, Ehrenwort. Aber es stört dich doch nicht, wenn ich unseren roten Kinderwagen morgen gegen einen blauen eintausche, oder?«
    Wir lachten und alberten weiter herum. Die ganze Fahrt über, bis Tim den Wagen vor der Redaktion stoppte. Und dann waren wir beide schlagartig still. Das war immer so, wenn wir uns verabschieden mussten. Abschiede und Begrüßungen waren für uns das Schwierigste. Früher hätten wir uns abgeknutscht und umarmt. Jetzt saßen wir jedes Mal etwas steif nebeneinander und hofften, dass einem von uns schon die rettende Abschiedsfloskel einfallen würde. Überhaupt hatten wir unsere Gespräche auf oberflächliche Themen verlagert, wenn es nicht gerade um das Baby ging. Diesmal hatte ich zum Glück ziemlich schnell einen abschließenden Spruch parat, aber komischerweise ging Tim nicht darauf ein, sondern zögerte unseren Abschied hinaus.
    »Danke fürs Fahren. Tja, dann will ich mir mal wieder ein paar abgedroschene Phrasen aus den Tasten saugen.«
    Ich lächelte ihn kurz an und holte meine Tasche vom Rücksitz. Ein mehr oder weniger gelungener Übergang zum Abgang, fand ich.
    Aber Tim wollte mich damit nicht gehen lassen. »Na komm, deine Artikel sind wirklich gut. Bei weitem das Originellste, das eure Zeitung zu bieten hat.«
    »Äh, danke.« Mit einem Lob hatte ich jetzt nun wirklich nicht gerechnet. »Obwohl ich gehört habe, dass die Wettervorhersage auch ziemlich originell sein soll.«
    Na bitte, ich hatte sogar zum zweiten Mal die Kurve gekriegt. Wir lachten wieder, und ich wollte die Gelegenheit nutzen, auszusteigen. Aber Tim kam mir schon wieder zuvor. »Nein, wirklich, deine Reihe zu den Jungstars war klasse!«
    Damit ging er eindeutig über unsere üblichen Floskeln hinaus. Ich lehnte mich überrascht in den Sitz zurück und war einen Moment lang sprachlos. Redete er jetzt wirklich von der Reihe? Meinen Interviews? Die den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht hatten? »Du hast sie gelesen?«, fragte ich zögerlich.
    »Natürlich«, antwortete Tim, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. »Ich fand sie echt gelungen.«
    »Danke.« Ich schaute ihn etwas perplex an. War das etwa sein Friedensangebot? Eine versteckte Andeutung, dass er mir verzieh oder dass er verstanden hatte? Vielleicht sogar eine Art Eingeständnis, dass er sich wie ein Arschloch benommen hatte? Aber bevor ich mir tiefergehende Gedanken dazu machen konnte,

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