Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
erwidern.
»Du kannst es ruhig sagen.«
»Was? Dass es mir nicht leidtut?«, grinste ich ihn breit an.
»Ja, und dass ich ein verklemmter oberbayrischer Hinterwäldler bin, oder wie waren damals noch mal deine genauen Worte?«
Er bezog sich wohl auf die Zeit, als wir noch Nachbarn und ich noch nicht so gut auf ihn zu sprechen war.
»Dabei können diese Eigenschaften heutzutage gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.« Ich lächelte ihn unschuldig an. »Wobei ich bezweifle, dass ich jemals den Ausdruck oberbayrischer Hinterwäldler benutzt habe. War es nicht eher so etwas wie verklemmter Bauerntölpel oder …«
Ich konnte meine Ausführungen leider nicht mehr beenden, weil Tim mich ins Schlafzimmer zog, um mir den Beweis zu liefern, dass er weder oberbayrisch noch Hinterwäldler und erst recht nicht verklemmt war.
Zum ersten Mal seit langem konnte ich kaum erwarten, dass Redaktionsschluss war. Tim wartete draußen schon auf mich und umarmte mich so stürmisch, als wäre ich gerade von einer Weltreise zurückgekehrt. Wir brauchten ewig, bis wir an seinem Wagen angekommen waren, und noch mal doppelt so lange, bis wir eingestiegen waren, weil wir alle zwei Sekunden anhalten mussten, um uns zu versichern, wie sehr wir uns in den letzten acht Stunden gefehlt hatten.
»Wo fahren wir denn hin?«, fragte ich, als wir es endlich bis ins Auto geschafft hatten.
»Zu mir.«
»Zu dir? Ich dachte, wir gehen essen.«
»Das tun wir auch. Aber ich habe sturmfreie Bude. Chris und deine Mutter sind in den Flitterwochen. Ich dachte, das sollten wir ausnutzen.«
Er sah mich etwas schüchtern an, und ich fühlte mich plötzlich wie ein frischverliebter Teenager. Ich fieberte dem Abend entgegen, als würde Tim mich zum ersten Mal mit in seine Wohnung nehmen. Als wäre ich nicht gerade im achten Monat von ihm schwanger und als hätten wir nicht schon eine längere Beziehung mit der ganzen Bandbreite an Hochs und Tiefs hinter uns.
Zu Hause hatte Tim schon alles vorbereitet. Den Esstisch gedeckt. Kerzen aufgestellt. Gekocht.
»Ich muss es nur noch kurz in den Backofen tun. Dauert nicht lange. Wein kann ich dir wohl nicht anbieten. Wasser oder O-Saft?« Er war genauso aufgeregt wie ich, und plötzlich mussten wir beide über unsere Nervosität lachen. »Wasser ist gut. Was gibt es denn?«
»Lasagne.«
»Oh«, entfuhr es mir ungewollt. Aber bei Lasagne musste ich automatisch an Daniel denken. Und an meinen peinlichen Verführungsversuch. Irgendwie war Lasagne in meinem Kopf seit diesem Abend fest mit Daniel verlinkt.
Tim sah mich irritiert an. »Das war doch immer dein Lieblingsessen, dachte ich. Oder bevorzugst du inzwischen saure Gurken mit Nutella?«
»Nein, Lasagne ist super. Perfekt!«
»Bin gleich wieder da.«
Ich schaute ihm nach. So viel also zu unserem unbeschwerten Neuanfang. Eine simple Lasagne, und schon ploppte die Erinnerung an Daniel auf. Ich verbannte sie mit einem Kopfschütteln aus meinen Gedanken und wanderte stattdessen durch das Wohnzimmer. Ich kniete mich vor Tims Stereoanlage. Fuhr mit dem Zeigefinger die Rücken der CD- und Plattenhüllen ab. Und stoppte dann blind. So suchten Tim und ich immer die Musik aus, wenn wir uns einen gemütlichen Abend machen wollten. Die CD oder Platte musste dann auf jeden Fall gehört werden, auch wenn sie überhaupt nicht zum Anlass passte. Das waren die Spielregeln. Rammstein beim Kerzenscheindinner, Edith Piaf zum Spieleabend. War alles schon mal vorgekommen. Ich legte die CD ein. Dieses Mal hatte ich Glück – ruhige, romantische Schmusemusik. Ich sah mich weiter um. Die letzten beiden Male war ich mir in dieser Wohnung fast wie eine Fremde vorgekommen. Aber jetzt war mir alles wieder vollkommen vertraut. Das Regal mit Tims spärlichen Büchern, die von seiner Plattensammlung komplett in den Schatten gestellt wurden. Der robuste Wohnzimmerschrank. Das alte Service von seinen Eltern hinter den Glastüren, das er nie aus dem Schrank holte. Und Chris’ Ecke, in der er einfach seinen ganzen Kram abgestellt hatte. Unordentlich und ohne Sinn für Ästhetik. Aber es gehörte trotzdem dazu. Machte es hier irgendwie gemütlicher. Ich strich gedankenverloren über das Regal, die Bücher, den Plattenspieler und merkte überhaupt nicht, dass Tim die ganze Zeit im Türrahmen stand und mich beobachtete.
»Was ist?« unterbrach er mich plötzlich, und ich zuckte zusammen. »Muss ich mal wieder Staub wischen?«
Ich schaute ertappt auf meine Finger. Ȁh, nein, ich meine,
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