Geheimorder Riesenauge
kürzer sein wird als die vorhergehenden«, erläuterte ich, »werden wir uns in unmittelbarer Nähe des Fahrtziels befinden. Ich gebe Ihnen jetzt die Richtungs-Kosinusse unseres Fahrtvektors bekannt. Erfassen Sie mit: X = null-Komma-drei-zwo-sieben-fünf-zwo-neun-vier …«
Ich las weiter, und ebenso rasch, wie ich las, tippte er die Angaben in seine Konsole. Es war merkwürdig: plötzlich dachte er nicht mehr daran, zurückzufragen und sich zu vergewissern, daß er richtig gehört hatte. Er tippte und tippte, und mit jedem Tastendruck wurde sein Gesicht ratloser, wurde die Verzweiflung, die aus dem großen Auge leuchtete, intensiver.
Schließlich wandte er sich wieder der Kamera zu. Ich hätte einen Tag meines Lebens dafür geopfert, jetzt in seinen Gedanken lesen und erfahren zu können, was er empfand. Aber ich mußte mich auf das Funkgespräch konzentrieren und durfte den M-Block nicht lüften.
Er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu beherrschen. Er saß zusammengesunken, mit haltlosen Schultern, und starrte mich an, als wäre ich der Leibhaftige selbst. Ein paarmal brachte er Laute hervor, die mein Translator nicht zu übersetzen vermochte, weil sie keinen Zusammenhang besaßen. Schließlich jedoch begann er, wenn auch stockend, verständlich zu sprechen.
»Das … das ist genau … der Kurs auf unsere Heimatwelt!« stieß er hervor.
Ich nickte mit gnädiger Gelassenheit.
»Selbstverständlich«, antwortete ich. »Da wollten wir doch hin … oder hatten Sie davon noch nicht gehört?«
Am 27. Februar 2010, Erdzeit, begann die BAPURA den zweiten Abschnitt ihrer gefährlichen Reise. Ursprünglich von der Erde ausgesandt, um den gefährlichen Versorgungstransmitter des Mars-Versorgers Alpha-VI zum Schweigen zu bringen, hatte sie nun vollends die Rolle der interstellaren Friedensstifterin übernommen. Ich hatte noch immer den Gedanken nicht ganz verdaut, daß es allein von uns abhängen sollte, ob die Erde von der Invasion der Orghs verschont blieb oder nicht. Zu intensiv klang noch der Schreck in mir nach, den ich empfunden hatte, als ich mir über die unheimliche Macht der Orghs in den Wäldern Sibiriens zum erstenmal klargeworden war. Wie hilflos war mir damals die Menschheit erschienen, wie unvermeidlich der Untergang! Gewiß, kurze Zeit später hatten wir begonnen, die Geheimnisse der alten Marsianer zu erforschen und ihre Technik zu verstehen, die nicht nur der unseren, sondern auch der der Orghs um Tausende von Jahren voraus war. Aber wieviel Fortschritt hatten wir in Wirklichkeit gemacht? Wir wußten gerade genug, um im kritischen Augenblick in achtzig Prozent aller Fälle den richtigen Knopf drücken zu können. Wir hatten keine Ahnung, welchen Prozeß der Knopfdruck auslöste. Wir wußten nicht, nach welchen Prinzipien die marsianischen Generatoren die riesigen Energiemengen schufen, die für den Betrieb eines Raumschiffes oder das Abfeuern eines Strahlgeschützes notwendig waren. Wir wußten nur, daß in vier Fünfteln aller Fälle die Betätigung des Knopfes das gewünschte Resultat erzeugte.
Von dem restlichen Fünftel sprachen wir nicht gern. Eine Reihe unserer Kameraden waren ihm zum Opfer gefallen: in explodierenden Raumschiffen, unter dem Strahlfeuer marsianischer Roboter, in dem mörderischen Strahlungsfeld marsianischer Energieerzeuger.
Gewiß: gerade auf dieser Abenteuerfahrt der BAPURA hatten wir mehr gelernt als zuvor in den zermürbenden Wochen auf dem Mars. Aber wir standen immer nur noch am Anfang. Wir hatten einen kurzen Blick getan in die nahezu unfaßbare Wunderwelt der marsianischen Technik. Mit ein paar Maschinen konnten wir gefahrlos
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