Gehen oder bleiben? - Entscheidungshilfe für Paare
unterkriegen lassen. Stärke bedeutet auch: loslassen, aufgeben, scheitern. Herausforderungen und Niederlagen können jedoch Wachstum und Gewinn bedeuten: Es kommt zum Erwerb neuer Fähigkeiten und Einstellungen und zu einem Zuwachs an Selbstvertrauen. Um den Gewinn im Verlust zu erkennen, braucht es manchmal einen längeren zeitlichen Abstand.
Vermutlich sind auch Sie in Ihrem bisherigen Leben schon das eine oder andere Mal mit »Erfolg« gescheitert. Es ist gut, wenn Sie sich in Ihrer jetzigen Situation an diese Erfahrung erinnern und mit dem Abstand von heute sich fragen: Welche Selbsterkenntnis wurde durch mein damaliges Scheitern gefördert: Die Fragen nach falschen Zielen, ungeeigneten Strategien und nach den eigenen Grenzen sind, wenn wir uns ihnen stellen, äußerst lehrreich. Was haben Sie über sich herausgefunden? Welche »Lektion« haben Sie gelernt? Wofür war Ihr Scheitern auch gut?
Möglicherweise empfinden Sie – wie andere Paare auch – die folgenden Tipps der psychologischen Scheiternsforschung hilfreich, die im Übrigen der Meinung ist, dass man Scheitern lernen kann.
1. Sich das Scheitern eingestehen
Man muss sich das Scheitern mit aller Klarheit eingestehen und erkennen, dass eine weitere Verfolgung des Ziels chancenlos und kräfteraubend ist. Wer an einer längst gescheiterten Beziehung festhält, bringt sich um die Chance, auf eine gute Weise vorwärtsgehen zu können. Wer sich einredet, dass sein Partner aufhören wird, bei jedem Konflikt davonzulaufen, obwohl dieser dieses Verhalten seit Jahr und Tag praktiziert, der hält an positiven Illusionen fest, die in einem solchen Fall das Elend nur hinauszögern. Wer denkt, seine Ehe sei gut, obwohl der Partner immer weniger Interesse und Einsatz zeigt, verpasst die Chance zu gehen. Wer mit seinen Erwartungen immer wieder Schiffbruch erleidet, sollte aufhören, an diesen festzuhalten.
2. Die Beziehung lösen
Um das eigene Scheitern bewältigen zu können, muss man die Bindung an die gescheiterte Beziehung lösen und zugleich nach einer Alternative suchen. Wenn Sie also nur Ihre Anstrengungen herunterfahren, an Ihrer gescheiterten Beziehung aber emotional festhalten, treten Sie auf der Stelle und finden keine neuen Ziele. Indem das nicht erreichbare Ziel, die Beziehung zu retten oder einfach so weiterzumachen wie bisher, aufgegeben wird, entstehen neue Ziele.
3. Sich neu definieren
Eine weitere Voraussetzung ist die Fähigkeit, im Fall eines Scheiterns sich selbst neu zu definieren. »Ich kann auch ein anderer oder eine andere sein«, sagen sich Menschen, die im Scheitern für sich die Chance erkennen, bislang verschlossene Türen zu öffnen, Neues zu erproben und die beengende Routine und Ordnung hinter sich zu lassen. In der Erkenntnis, ich kann auch anders, entwickeln sich motivierende Perspektiven und Horizonte. Es ist nie zu spät, so zu sein, wie man es gerne gewesen wäre.
Die angesprochenen Punkte möchte ich noch um zwei weitere ergänzen. Wer auf Veränderungen aktiv und nicht nur defensiv reagieren will, darf aus dem Scheitern kein Tabuthema machen. Mit fliegenden Fahnen unterzugehen – das verschafft immerhin den Trost: Man hat es versucht. Und das ist allemal besser als, im grauen Mittelmaß der Beziehung mitzulaufen und jeden Morgen neben einem lieblosen Partner aufzuwachen. Die andere ist zu erkennen, dass Scheitern nicht automatisch auch Trennung bedeutet. Der Nutzen des Scheiterns könnte nämlich darin liegen, dass das Richtige deutlicher wird – mit oder ohne Ihren jetzigen Partner, Ihre Partnerin. Wunden lecken, weitermachen, mutig scheitern, durchstarten – das sind wichtige Tugenden für das Projekt Neuanfang statt Stillstand. Zu wissen, dass der eigentlichen Entscheidung fast immer eine kürzere oder längere Phase der Ambivalenz vorausgeht, hilft einem, diese besser einordnen zu können.
In der Beziehungsambivalenz gefangen
Wie einfach wäre alles, wenn zwei Partner zur gleichen Zeit voneinander die Nase voll hätten! Oder wie schön wäre es, wenn beide gleichzeitig zu dem Schluss kommen, dass sie alles tun wollen, um ihre Beziehung zu retten! Solche Situationen gibt es zwar auch, aber nur selten.
Ambivalenz kann man sich vorstellen wie zwei Quellen oder Flüsse: Treffen sie zusammen, kommen die berühmten gemischten Gefühle heraus.
Die wichtigsten Merkmale der Ambivalenz sind:
Rumination –
Mit den Gedanken fast zwanghaft um ein Thema kreisen
Blockierung –
Durch die Gleichzeitigkeit und
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