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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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das, was Diane sah, und es war auch nicht das, was passierte. Diane sah auf Gails Gesicht einen Ausdruck von Fassungslosigkeit, gepaart mit dem Wunsch, die Rolle zu spielen, die ihre Freunde ihr zugedacht hatten, die sie jedoch zu übernehmen unfähig war. Gail kannte diesen Mann gar nicht, und es sah für Diane auch nicht so aus, als ob sie Wert darauf legte, ihn wieder kennenzulernen. Es war zu schmerzhaft. Es lagen zu viele Jahre der Funkstille zwischen ihnen. Diane wollte etwas sagen, wollte zu Gail ge hen, ihre Hand nehmen, sich zwischen sie und Tom stellen und ihn in die Schranken weisen. Ihn fragen, was zum Teufel ihm eigentlich
einfalle, sich nach so langer Zeit einfach so in Gails Leben zu drängen. Doch sie stand schweigend da, halb versteckt hinter den Einkaufstüten, und wünschte, dass Chris endlich aufhörte, so blöd zu grinsen, und der Realität ins Auge sähe. Er mochte das Zeug haben, ein Pro fessor für was auch immer zu werden, aber soweit Diane es beurteilen konnte, war er ein ziemlicher Trottel.
    »Ich finde, das sollten wir feiern«, verkündete Chris. »Hat Michelle euch schon den Weinkeller gezeigt?«
    »Nein«, erwiderte Diane und äffte die Tonlage eines VIPs aus Dallas nach, indem sie ihre Stimme am Ende zu einem kleinen Quieksen anhob. Gail sah sie an und bedachte sie mit einem schnellen, automatischen Lächeln, das innerhalb eines Se kun denbruchteils aufblitzte und wieder verschwand. Diane entdeckte Besorgnis in Toms Augen, als er sie musterte, doch er verbarg sie schnell und trat zurück, um Gail vorbeizulassen. Gail folgte Chris, der sie alle durch den Flur zu einer Tür führte, durch die sie über eine steile Treppe hinunter in den Keller gelangten.
    »Chris hat sich als Weinkenner entpuppt«, bemerkte Michelle.
    »Also was mich betrifft«, warf Diane ein, »sollen sie doch alle über das Bukett und den Nachgeschmack und den Säuregehalt und was auch immer faseln, so viel sie wol len. Das Einzige, was wirklich interessiert, ist doch, dass das Zeug dröhnt.« Gails Blick bedeutete Diane, nicht so ein Miesepriem zu sein; Diane erwiderte den Blick.
    Michelle lachte und legte Diane eine Hand auf die Schulter. »Da hast du absolut recht.«
    Der Kellerraum war so klein, dass sie zu fünft kaum hineinpassten. An drei Wänden standen Weinregale, die fast komplett mit Flaschen gefüllt waren. Diane war beeindruckt. Chris quetschte sich an ihr vorbei, nahm eine Flasche aus der
Mitte eines der Regale und wandte sich über ihren Kopf hinweg an Michelle.
    »Was meinst du, Schatz? Ein Saint Emilion? Ich habe hier einen großartigen Angelus, Jahrgang 98. Ich habe nur auf die richtige Gelegenheit gewartet, ihn zu öffnen.« Dann fragte er an Gail gewandt: »Ist Rotwein in Ordnung?« Gail nickte; sie fühlte sich eingesperrt und wollte so schnell wie möglich raus aus dem engen Raum. »Gut.« Chris drehte sich um und wartete, bis alle nacheinander den Kellerraum verlassen hatten. Er wollte gerade die Tür schließen, als er sich vor die Stirn schlug. »Wartet mal. Wie konnte ich das vergessen? Ich weiß genau, was wir heute trinken!« Er ging noch mal zurück in sein Weindepot und kam einen Augenblick später mit einer zweiten Flasche zurück, die er Gail zeigte.
    Sie sah auf das Etikett: Duckhorn Vineyards. Es war ein Caber net Sauvignon, doch alles, was sie über Wein wusste, war, dass Chris bei den Free-Now-Versammlungen immer mit Bully-Hill-Flaschen aufgekreuzt war, mit Weinen mit Namen wie Bulldog Baco Noir und Love My Goat Red.
    »Haben die Zeiten sich denn gar nicht geändert?«, fragte sie.
    »Neeeiiin«, Chris stöhnte förmlich. »Guck mal auf den Jahrgang.«
    Gail musterte erneut das Etikett. 1986. »Das Jahr, in dem ich verhaftet wurde.«
    »Genau«, bestätigte Chris. »Dieser Wein ist so lange in der Flasche gewesen, wie du hinter Gittern gesessen hast.«
    »Muss ganz schön wertvoll sein«, stellte Tom fest. »Zur Perfektion gereift.«
    »Eine Flasche kostet an die dreihundert Dollar«, verkündete Chris. »Natürlich zahle ich niemals Einzelhandelspreise.«
    Diane starrte ihn an. »Dreihundert Dollar? Das ist nicht dein Ernst, oder?«

    Chris zog zu seiner Verteidigung die Augenbrauen hoch und hob beinahe un merklich sein Kinn an. »Doch«, sagte er, »das ist mein Ernst. Und sobald du den Wein probierst, weißt du auch, warum er so teuer ist.«
    »Schon gut, schon gut.« Tom stieg die Treppe hoch. »Lasst uns den verdammten Korken rausreißen, Mann!«
    Gail sah erst die Flasche an

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