Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
Vom Netzwerk:
es notwendig war. Wie überzeugt wir waren, das ganze System wäre ernsthaft am Ende und wir hätten die Antworten und Lösungen. Wie wir dachten, wir wären diejenigen, die die Welt verändern und eine bessere Welt erschaffen würden. All dieses Gequatsche über die Bereitschaft, für deine Überzeugungen dein Leben aufzugeben.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte traurig. »Ein bisschen Revolution machen, was?«
    Draußen fuhr ein Auto vor, im nächsten Augenblick hörten sie Chris mit raschelnden Einkaufstüten durch die Haustür kommen.
    »Schatz?«
    »Ich bin hier.«
    »Ich habe eine Überraschung mitgebracht.« Chris stellte die Tüten mit den Einkäufen auf den Tresen, der die Küche vom Wohnzimmerbereich trennte. Als er Gail sah, erstrahlte auf sei nem schmalen Gesicht ein breites Lächeln. Er war größer, als Gail ihn in Erinnerung hatte, und trug Jeans und ein hellblaues Denimhemd. Vielleicht war er noch nicht ausgewachsen gewesen, als sie ihn damals kennengelernt hatte. Auf jeden Fall war er deutlich über einen Meter achtzig groß.
    »Lange nicht gesehen«, grinste Chris, ging zu ihr und gab ihr ein Küsschen auf die Wange. »Wie war dein Aufenthalt im Hotel Hades?« Er lächelte immer noch, sprach im Plauderton.
Gail lachte und freute sich, dass er seine Überschwänglichkeit, die er ungeachtet der Umstände immer an den Tag gelegt hatte, offenbar bewahrt hatte. Diane kam eben rein; sie war barfuß, trug ihre Stiefel in der Hand und blickte über ihre Schulter auf irgendetwas hinter sich.
    »Und?«, fragte Chris. »Erkennst du diesen Fremden?« Und in dem Moment betrat noch jemand den Raum.
    Gail starrte zur Tür. »Wie sollte ich ihn nicht erkennen?« Doch sie rührte sich nicht vom Fleck, stand nicht auf, um ihn zu begrüßen. Ebenso wenig lächelte sie oder breitete als Willkommensgeste die Arme aus. Sie fühlte sich wie erstarrt. Wie betäubt. Er stand da, versuchte, ein Lächeln zustande zu bringen, das ihm jedoch vor Beklommenheit nicht gelingen wollte. Sein braunes Haar war kurz geschnitten, aus seinem Zottelbart war ein ordentlich zurechtgestutzter Spitzbart geworden. Offenbar war er gut durchtrainiert; unter seinem strukturierten grauen Henley zeichneten sich kräftige Brustund Armmuskeln ab. Auf der Straße hätte sie ihn vielleicht nicht wiedererkannt, so viel kräftiger war er jetzt als damals, als er ein spindeldürrer Radikaler mit wir rem Haar und Feuer in den Augen gewesen war. Das Feuer war immer noch da, aber die Flammen waren gut unter Kontrolle.
    »Tom«, sagte sie schließ lich. Da lächelte er und kam zu ihr, hob sie vom Sofa, küsste sie auf die Wangen und zog sie zu sich. Sanft. Ganz behutsam. Er hielt sie, als ob er Angst hatte, sie könnte sich in Luft auflösen, drückte sie still und sanft an sich und küsste sie auf die Augen.
    Gail spürte, wie er sie hielt, spürte, dass er leibhaftig da war, nachdem er so vie le Jahre nur in ih rer Vorstellung existiert hatte, und schlang die Arme um ihn. Zum einen, um sich an ihm festzuhalten, zum anderen, um sich zu vergewissern, dass er es wirklich war. Sie hatte nicht erwartet, dass sie so auf ihn reagieren würde. Sie hatte gedacht, dass sie nach all
der Zeit, nach dieser endlosen Funkstille, die zwischen ihnen geherrscht hatte, nichts weiter für ihn empfinden würde als die kühle Neugier herauszufinden, welche Motive ihn ge leitet hatten, aus ihrem Leben zu verschwinden. Als ihre Knie nicht mehr weich waren und sie wieder aus eigener Kraft stehen konnte, ließ sie ihre Hände seinen Rücken hinauf zu seinen Schultern wandern und legte ihren Kopf auf seine Brust, als wollte sie seinen Herzschlag hö ren. Sie war nicht sicher, was sie im Augenblick empfand, aber sie wollte, dass dieses Gefühl anhielt. Sie wollte so verharren, wie sie dastand, wollte ihn festhalten und von ihm festgehalten werden.
    »Ich hätte nie gedacht, dass wir diesen Tag noch ein mal erleben würden«, flüsterte er leise.
    Von ihrem Standort hinter den auf dem Tresen stehenden Einkaufstüten beobachtete Diane das Geschehen. Michelle hatte sich die Finger auf ihre bebenden Lippen gepresst und war den Tränen nahe, Chris strahlte vor Glück, dass er diese Wiedervereinigung ermöglicht hatte. Und dann rückte Tom ein wenig zur Sei te, sodass sie Gails Gesicht sehen konnte, und ihr wurde bewusst, dass sie alle drei sahen, was zu sehen sie erwartet hatten: die bewegende Zusammenführung zweier sich lange verloren geglaubt habender Liebender. Doch es war nicht

Weitere Kostenlose Bücher