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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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fürs Abendessen. Wir wollten mit euch grillen. Ihr esst doch Fisch?«
    »Ja«, antwortete Gail.
    »Fische haben Augen«, erinnerte Diane sie. Michelle sah sie befremdet an.
    »Ich mache eine Ausnahme«, stellte Gail klar. Sie dachte an die Fischstäbchen, die es an der Essensausgabe im Sundown
gab. Panierte, mit einer geschmacklosen weißen Masse gefüllte Klumpen. An Michelle gewandt sagte sie: »Fisch klingt super.«
    Michelle drehte weiter an ihrer Locke und nippte erneut an ihrem Tee. »Hoffentlich gibt es Thunfisch.«
    Diane stand auf und stellte ihren Tee vorsichtig auf einen auf dem Tisch liegenden Untersetzer. Das Haus war wie aus Schöner Wohnen, und sie hatte Angst, etwas zu verschütten oder einen Fleck auf dem Sofa zu hinterlassen oder sonst irgendeinen Fehltritt zu begehen. Alles stand da, wo es hingehörte. Sie entdeckte nirgendwo Staub. Vielleicht hatte Michelle ja extra für den Besuch einen Hausputz gemacht. Diane hoffte es. Sie hasste die Vorstellung, dass jemand sich solche Zwänge auferlegte, obwohl sie wusste, dass manche Leute so waren. Während ihres Streifendienstes war sie ein- oder zweimal in solche picobello aufgeräumten Häuser gerufen worden, aber normalerweise war die schö ne Fassade von Ruhe und Ordnung beim Eintreffen der Polizei bereits rissig, wenn nicht komplett zerstört.
    »Darf ich ein bisschen auf dem Trampolin springen?«
    Michelles blaue Augen weiteten sich kurz, dann formten sich ihre Lippen zu einem weiteren liebenswürdigen Lächeln, und sie erwiderte: »Selbstverständlich. Fühl dich ganz wie zu Hause.«
    Diane nahm ihr Teeglas und ging zur Tür. Sie war froh, aus dem Zimmer zu kommen. Sie hatte keine Ahnung, was für eine gemeinsame Vergangenheit Gail und Michelle verband, aber was auch immer sie mal zusammengebracht hatte - jetzt schien es jedenfalls nicht mehr zwischen ihnen zu klicken, und es schmerzte, das mitanzusehen. Sie ging nach draußen, überquerte den Rasen, löste die Schnürbänder ihrer Stiefel, zog sich die Socken aus und stieg auf das federnde schwarze Netz des Trampolins. Diane hüpfte sich vorsichtig ein, um ein
Gefühl dafür zu bekommen. Sie war erst ein- oder zwei mal in ihrem Leben auf so einem Ding gehüpft, aber sie erinnerte sich, dass es Spaß gemacht hatte.
    Drinnen nahm Gail eine kleine Schale von dem schweren, grob gearbeiteten Eichentisch, der vor dem Sofa stand. Vermutlich nannte man so etwas Couchtisch, doch er wirkte so wuchtig, dass er eigentlich auch nach einer wuchtigeren Bezeichnung verlangte. Sie konnte ihre Hände knapp um die Schale legen. Die war blassweiß und mit einer Art lavendelfarbener Lasur überzogen, innen war sie etwas dunkler. Vor der Lasur und dem letzten Schliff war die Außenseite geschmackvoll eingeritzt und verziert worden.
    »Die hat Sandra gemacht«, erklärte Michelle, »unsere Tochter. Sie hat sie »eine Schale voller Luft« genannt und damit den zweiten Platz bei der Kunstmesse errungen.«
    »Wie alt ist sie?«
    »Sie hat gerade ihr Studium an der Rice University begonnen. Aber die Schale hat sie noch zu Highschoolzeiten gemacht. Ryan, unser Sohn, geht in die elfte Klasse. Er arbeitet diesen Sommer als Kinderbetreuer in einem Ferien-Camp. Sandra verbringt den Sommer in Paris. Sie ist sehr frankophil, wie ihr Vater.« Michelle hielt inne und seufzte. »Als wir hierhergezogen sind, hatte ich am Anfang Angst, dass unsere Kinder zu Cowboys heranwachsen würden. Aber wir haben Glück gehabt.«
    Gail nickte. »Das freut mich für dich.« Und es freu te sie wirklich. Es freute sie, dass Michelle und Chris das Glück gehabt hatten, ihre jugendliche Dummheit - wagte sie es wirklich, es so zu nennen? - offenbar unbeschadet zu überstehen.
    Michelle sah Gail ernst an, irgendetwas an ihr veränderte sich. »Es tut mir so leid, was dir passiert ist.« Sie stellte ihren Eistee ab, hörte auf, an ihren Haaren herumzudrehen, und beugte sich in ihrem Stuhl vor. »Eben fehlten mir einfach die
Worte«, sie nickte in Richtung Tür. »Aber du sollst wissen, dass ich … wir, wir alle - jeder … Wir haben uns wegen dir hundeelend gefühlt. Ich habe unheimlich oft an dich gedacht. Man fühlt sich so absolut hilflos …«
    »Ist schon gut.« Gail nippte an ihrem Tee und wischte vorsichtig einen Tropfen aus ihrem Mundwinkel.
    »Vielleicht ist es das, vielleicht auch nicht. Ich meine, wenn ich an all das zu rückdenke und mir in Erinnerung rufe, wie wir damals waren. Wie sicher wir waren, dass das, was wir taten, richtig war. Dass

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