Gehetzt - Thriller
wollte, als Renfro anzurufen, riskierte sie es nicht. Die R-Gespräche der Häftlinge wurden stichprobenartig kontrolliert, und sie war sicher, dass der Polizeichef in Bolton es als Erster wissen würde, wenn sie bei einem Telefonat mit Renfro erwischt werden würde. Abgesehen davon bildete sich vor dem Telefon immer eine lange Schlange. Normalerweise musste man fast eine halbe Stunde anstehen. Trotzdem fiel es ihr verdammt schwer, Renfro nicht an zurufen und ihn zu fragen, wo die Protokolle des Churchpin-Prozesses waren. Wahrscheinlich lagen die Bänder auf dem Tisch irgendeiner Gerichtsschreiberin und warteten darauf, abgetippt zu werden.
Diane schleppte einen großen, rechteckigen Topf mit grünen Bohnen zur Warmhaltetheke und war versucht, ihn fallen zu lassen und zu zusehen, wie die Boh nen aus dem Topf flogen und sich als grünlich braune, glitschige Masse auf dem rot gefliesten Boden verteilten. Was konnte Carl ihr schon anhaben?
Sie feuern? Sie zur Arbeit im Klärwerk verdonnern? Das wäre vollkommen in Ordnung. Immerhin war sie es gewohnt, mit Scheiße zu arbeiten.
Diane war nass von Schweiß und heißem Spülwasser, und ihr war speiübel vom Auskratzen der Sammelbehälter voller zurückgegangenem Essen, das keinerlei Recht hatte, als Essen bezeichnet zu werden, als Carl in den Geschirrraum kam.
»Wellman!«
Sie drehte sich um. Er hielt ihr einen gelben Zettel hin.
»Dein Fallmanager will dich sehen. Zisch ab.«
Diane zog sich ihre gelben Gum mihandschu he aus, legte ihre grüne Gummischürze ab, nahm den Zettel entgegen und verließ den Geschirrraum.
Ihr Fall ma na ger, Mr. Yeager, hät te Carls jün ge rer Bruder sein können, nur dass er of fenbar Gewichte stemmte und auf sein Äußeres achtete. Er bedeutete ihr, auf dem Stuhl vor seinem penibel aufgeräumten Schreibtisch Platz zu nehmen.
»Sie waren Polizistin?«
Diane spürte, wie sich das, was von ih rem Magen übrig geblieben war, zu einem verknoteten, kleinen Knäuel zu sammenzog.
»Ja«, erwiderte sie leise.
»Oh, nur keine Sorge«, entgegnete er. »Von mir wird es niemand erfahren.«
Na super! Jetzt war sie kei ne neun zig Tage hier drin nen, und schon gingen die Gerüchte los. Wäre es nicht urkomisch, wenn ausgerechnet das Knastpersonal dafür sorgen würde, dass sie umgebracht wurde?
»Sehen Sie«, sagte sie und sprach mit Bedacht, um ihre Wut unter Kontrolle zu behalten, »ich weiß, dass Sie das wahrscheinlich schon so oft gehört haben und es Ihnen zu den Ohren herauskommt. Aber ich habe nicht getan, was man mir
zur Last legt. Ich wurde gelinkt, okay? Aber ich werde meine Zeit absitzen und tun, was ich kann, meinen Fall durchzu fechten und die Dinge richtig zustel len. Und ich brauche niemanden, der sich da einmischt.«
»Was Ihnen draußen widerfahren ist, interessiert mich nicht.« Seine dichten Augenbrauen waren vor Kon zentration zusammengezogen. »Sitzen Sie einfach Ihre Zeit ab, und versuchen Sie nicht, mir dumm zu kommen, dann kommen wir gut miteinander klar.«
»Kein Problem«, entgegnete Diane.
»Haben Sie hier drinnen irgendjemanden erkannt? Hat irgendjemand Sie erkannt? Weiß jemand, dass Sie Polizistin waren?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja. Warum?«
»Wenn wir auch nur den geringsten Anlass haben, uns Sorgen um Ihre Sicherheit machen zu müssen, können wir Sie isolieren, dann kann Ihnen nichts passieren.«
»Was bedeutet das?« Iso lie rung klang halbwegs an nehmbar. Zumindest würde sie sich dann nicht mehr eine Zelle teilen müssen.
»Nichts weiter«, erwiderte er und bedachte sie mit einem angespannten, beina he ver lege nen Lächeln. »Einige nen nen es das Loch.«
»Oh.« Diane konnte sich ausmalen, was gemeint war.
»Es ist sozusagen unsere Billigausstattungsvariante.«
»Ich denke, da, wo ich bin, bin ich gut aufgehoben.«
»Lassen Sie es mich einfach wissen, wenn Sie irgendwelche Bedenken bezüglich Ihrer Sicherheit haben, ganz egal, was es auch ist.«
»Mache ich.«
Sein Stuhl knarrte, als er sich zurücklehnte.
»Gut.« Ein weiteres angespanntes Lächeln. »Sie können wieder an die Arbeit gehen.«
Diane stand auf, ging zur Tür und umfasste die Klinke.
»Wellman?«
»Ja?«
»Sie wissen ja, wenn Sie sich entscheiden zu kooperieren und uns zum Beispiel wissen lassen, wo Sie den ganzen Stoff herhaben, könnten wir vielleicht etwas im Hinblick auf Ihr Urteil tun.«
Sie öffnete die Tür. »Ich sag Ihnen was«, entgegnete sie. »Sobald ich he rausgefunden habe, wo er her kommt,
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