Gehetzt - Thriller
mal.
»Verdammt!« Diane riss ihr das Seil aus der Hand. Sie warf es über den Ast, kno tete eine Schlin ge, führte das Seil hindurch und zog es fest. Dann reichte sie es Gail.
»Nach dir.«
Gail wickelte sich das Seil um ihre rechte Hand und begann, den Baum hinaufzuklettern, indem sie die Füße gegen den Stamm stützte und sich an dem Seil hochzog. Diane stand unter ihr und schob sie. Gail mühte sich hinauf, langte nach dem Ast, verfehlte ihn, stürzte ab und bau melte mit der rechten Hand an dem Seil.
»Scheiße, Gail, mach schon!« Diane rappelte sich unter ihr
auf und half ihr, an dem Stamm wieder Halt zu finden. Dann schob sie sie erneut hinauf.
Vergeblich. Als Gail nach dem Ast langte, um ihn zu umfassen, verfehlte sie ihn erneut und fiel wieder herunter. Diesmal glitt ihr das Seil aus der Hand, und sie krachte mit voller Wucht auf den Boden. Sie lag da, starrte hinauf zu dem Baum, und ihre Gedanken wirbelten so wild durcheinander, dass sie keinen richtig zu fassen bekam, bis auf einen: Du bist verrückt.
Diane schnappte sich das Seil und entfernte sich so weit von dem Baum, wie es ging. Sie wickelte sich das Seilende um die Hand, umfasste es fest und rannte auf den Baum zu. Dann sprang sie so hoch sie konnte, zog sich an dem Seil hoch, rannte förmlich den Stamm hinauf, stieß sich von ihm ab, warf ein Bein über den Ast und umschlang ihn mit dem Arm. Sie zog sich hoch, rutschte an den Stamm heran, lehnte sich dagegen und warf Gail, die immer noch auf dem Boden lag, das Seil runter.
»Mach schon!«, zischte Diane ihr zu. »Heb deinen Arsch, und komm in die Puschen!« Doch kaum machte Gail Anstalten, sich zu erheben, da hob Diane die Hand. »Nein! Warte!«
Von ihrem Sitz im Baum sah Diane eine Bewegung. Sie zog das Seil hoch und drückte es eng an sich. Es war auf der anderen Seite des Zauns, auf dem Personalparkplatz, der so hell erleuchtet war wie ein Footballstadion. Ein Aufseher ging zu seinem Auto. Sie presste sich an den Ast, versuchte, mit der Eiche eins zu werden. Diane sah, wie der Aufseher seinen Wagen erreichte, sich umdrehte und den Parkplatz absuchte. Sie hatte das Gefühl, dass er genau in ihre Richtung sah. Warum stieg er nicht in seinen Wagen? Bitte, lieber Gott, mach, dass er losfährt! Sie wartete und wartete …
»Was ist los?« Gail lag immer noch reglos auf dem Rücken.
Diane legte einen Finger auf ihre Lippen, um ihr zu bedeuten, still zu sein. Sie beobachtete, wie der Aufseher sich
schließlich umdrehte und die Tür seines Wagens öffnete. Dann hörte sie den startenden Motor, stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, sah, wie der Wagen vom Parkplatz bog und seine Rücklichter sich auf der langen, gewundenen Zufahrt, die auf die Landstraße führte, entfernten.
Schnell ließ Diane das Seil wieder runter und sah zu, wie Gail es sich um die Hand wickelte.
»Klettere einfach mit den Füßen den Stamm rauf, und zieh dich mit den Händen am Seil hoch. Ich helfe dir, wenn du oben bist.«
»Genau das tue ich doch«, grummelte Gail und spannte die Muskeln an, um einen neuen Versuch zu starten. Diane sah, dass sie es nicht schaffen würde. Aber sie musste es schaffen! Mit ihrem ganzen Gewicht stemmte sich Diane gegen den Stamm, umklammerte mit ihren Knien den Ast, umfasste ihn mit ih rem linken Arm und ließ sich, so weit sie konnte, herunterhängen. Als Gail sich das Seil heraufkämpfte, langte Diane nach unten, umklammerte Gails Handgelenk und zog sie mit aller Kraft nach oben. Sie spürte, wie sich jeder einzelne ihrer Muskeln anspannte, um Gail hochzubekommen.
Ob es pure Kraft war oder der vereinte Wille der beiden Frauen, jedenfalls schaffte Gail es mit zerkratzten Armen und Beinen auf den Baum. Diane spürte ein Brennen auf ihren Oberschenkeln, nahm sich aber keine Zeit nachzusehen, was es war.
»Gut«, sagte sie. »Und jetzt weiter.« Sie schob sich um den Stamm herum und weiter auf einen Ast, der über den Zaun hinausragte. Unter ihnen glänzte der Nato-Draht, ein Hai mit weit aufgerissenem Maul, bereit, sie zu verschlingen. Es bedurfte eines ziemlich gewaltigen Sprungs, um darüber hinwegzukommen. Gail richtete sich auf und hielt sich an dem Ast über ihr fest, damit der Ast unter ihr nicht unter ihrem Gewicht brach. Sie nahm einen Stein am Boden ins Visier.
»Wenn ein kleines Mädchen auf einen Baum klet tert«, flüsterte Diane, »heißt das nicht unbedingt, dass es ein kleiner Junge sein will. Manchmal will es einfach nur auf einen Baum klettern.« Gail drehte
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