Gehetzt - Thriller
hatte den Wildgeschmack gemocht, auch wenn Kevin ihr gezeigt hatte, wie man die Ente über Nacht in Milch einlegte, damit sie ein wenig von dem strengen Geschmack verlor. Danach hatte er das Tier in Schin kenspeck eingewickelt, damit das Fleisch zarter wurde. »Eine Ente ist so zäh, dass sie beim Reinbeißen zurückflutscht wie ein Gummiband«, hatte er gesagt. Diane war dieses eine Mal und ein einziges weiteres Mal jagen gegangen, danach nie wieder. Als Renfro sie einmal hatte überreden wol len, mit ihm auf die Jagd zu ge hen, hatte sie erwidert, dass sie lieber die Ausnüchterungszelle sauber spritzen würde als noch einmal ein Tier abzuknallen. Er hatte sie gepackt und aufs Bett geworfen und sie einen Waschlappen genannt, doch als sie mit ihm fertig gewesen war, war er derjenige gewesen, der auf wack ligen Beinen durch die Tür ihres klimatisierten, mit Teppichboden ausgelegten Apartments nach draußen geeiert war.
Am nächsten Abend war er wiedergekommen und hatte vor Beginn seiner Nachtschicht einen Rehbraten zubereitet.
»Los«, drängte Diane Gail. »Wenn ich hier sitzen bleibe, kriege ich nur Hunger. Oder werde noch hungriger.« Sie stöhnte beim Aufstehen.
Gail rappelte sich ebenfalls auf. Sie standen da und ließen ihre Blicke über den Highway schweifen.
»Ich bin nicht nur hungrig«, stellte Diane fest, »ich sterbe vor Hunger. Was weißt du über Futtersuche?«
»Wie man das Wort schreibt, mehr nicht.«
»Angeblich kann man Eicheln essen, wenn man sonst nichts anderes findet.«
Gail starrte sie an. »Aber wir sind doch nicht mitten in der Sahara gestrandet. Sieh dich mal um.« Sie zeigte hinab auf die Böschung neben der Straße. »Wir sind höchstens ein paar Kilometer von einem McDonald’s entfernt, das garantiere ich dir. Wo Abfall rumliegt, sind Menschen.«
»Dem Müll nach zu urteilen, kann Dunkin’ Donuts auch nicht weit sein. Und ein Sonic Drive-In. Ich wusste gar nicht, dass es Sonic auch in New York gibt. Ach, könnte ich mir doch auf der Stelle einen Chili Dog holen!«
»Zum Frühstück?«
»Na klar. Ich hab’ so ei nen Kohldampf, dass ich nicht mehr klar denken kann.« Diane marschierte los, Gail folgte ihr. »Es heißt nämlich, dass der Magen und das Gehirn eng miteinander verbunden sind.«
»Dann frage ich mich, was mein Hirn wohl für Schaden genommen hat, nachdem meinem Magen achtzehn Jahre alles vorenthalten wurde, das auch nur im Entferntesten etwas mit vernünftigem Essen zu tun hat.«
»Eins verspreche ich dir: ein Sonic Chili Dog, und du bist komplett geheilt.«
»Ich esse nichts, das Augen hat.«
»Seit wann haben Hot Dogs Augen?«
Sie glaubten, in Richtung Norden zu gehen, aber nachdem sie wie die Wahnsinnigen vor den Hunden weggerannt waren, der Mond untergegangen und die Sonne bisher noch nicht aufgegangen war, waren sie sich nicht sicher. Sie kamen noch eine gute halbe Stunde durch den Wald, bis der in ein großes Maisfeld überging, das sich fast bis zur Straße erstreckte. Die Saat musste früh ausgebracht worden sein, sonst hätte der Mais noch nicht so hoch stehen können. Sie blieben einen Moment am Rand des Feldes stehen und spürten, wie verwundbar sie waren, sobald sie den Schutz der Bäume verließen.
»Die gute alte Welt da draußen ist ganz schön groß, nicht wahr?« Diane drehte sich zu Gail um, sie hatte es nur halb im Scherz gemeint. Dann ver ließen sie den Schutz des Waldes, gingen an dem Feld entlang und flüchteten in die Saatreihen, wann immer ein Auto vorbeikam. Sie hatten etwa die Hälfte des Feldes erreicht, als sie ziemlich lange zwischen den Pflanzen Zuflucht suchen mussten, weil eine ganze Kolonne Autos vorbeirauschte, Stoßstange an Stoßstange, eins nach dem anderen. Zwischen den Stängeln war es dun kel und grün, in den engen Reihen stand noch die kühle Nachtluft.
Gail langte nach einem Kolben, riss ihn vom Stängel, entfernte das Hüllblatt und biss hinein. Diane sah zu, riss ebenfalls einen Kolben ab und begann, das Hüllblatt abzuschälen. Sie biss herzhaft zu; der frische süße Geschmack überraschte sie. Der Mais war so süß, dass er beinahe schmeckte wie Obst.
»Ich habe Mais noch nie ohne Butter und Salz gegessen«, sagte sie. »Und wie ich erst jetzt mer ke, war er im mer viel zu weich gekocht.«
»Das ist einer der Vorteile, wenn du als Landschaftsgärtnerin arbeitest«, entgegnete Gail, »du lernst, dass du fast alles auch roh essen kannst.«
»Ich dachte, das hättest du allein durch dein Dasein im Knast
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