Gehetzt - Thriller
eingetreten hatte. Sie spürte, dass Mike sie ansah, tat aber so, als hätte sie ihn über die Musik hinweg nicht gehört.
»Nicht weit von hier«, antwortete Diane. »Ist ein Sauladen, wenn Sie mich fragen. Aber wir arbeiten da nicht. Wir mussten mein Auto dort ste hen lassen, und ich samm le T-Shirts. Ich hätte mir wirklich niemals einen Gremlin kaufen sollen.«
»Sie fahren einen Gremlin?« Mike lachte lauthals los. »Der muss ja mitt lerweile eine Million Kilometer auf dem Buckel haben.«
»Fehlt nicht viel daran«, entgegnete Diane. »Aber der schmierige Händler, bei dem ich ihn gekauft habe, hat mit Sicherheit den Kilometerzähler manipuliert. Jedenfalls dachte ich, dass meine alte Karre mich und Linda hier hoch in die Catskills und zu rück bringen würde. Wir haben da ge zeltet. Ist wirklich’ne geile Landschaft. Aber jetzt könnte ich eine Dusche gebrauchen.«
»Ich wollte ja nichts sagen«, murmelte Mike und zwinkerte ihr wieder gutgelaunt zu.
»Ich schätze, wir werden den Bus hier her zurück nehmen müssen, wenn Bob dann mal irgendwann so weit ist. Er klang jedenfalls nicht so, als würde er sich bald daranmachen.«
»Und wo ist Ihre Ausrüstung?«
»Ausrüstung?«
»Na, die Campingausrüstung?«
»Er hat versprochen, darauf aufzupassen. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich traue dem Typen. Ich glaube nur nicht, dass er es besonders eilig hat, mein Auto zu reparieren.«
»Wahnsinn, ein Gremlin, wer würde den schon gern schnell wieder los sein?« Er grinste Diane an, und sie grinste zurück, und es war wieder alles in Ordnung.
»Wollen Sie mich mal an Ihre Kiste ranlassen?«
»Welche Kiste? Meinen Sie meinen Laster?«
»Klar. Ich fahr ihn mit links, jede Wette.«
Mike lachte und schüttelte den Kopf. »Das glaub’ ich Ihnen gerne. Aber wer haftet, wenn was passiert?«
»Sie haben nicht zufällig Wasser dabei, oder?« Sie nickte, um ihm zu bedeuten, dass sie das natürlich verstand, und versuchte, sich bequemer hinzusetzen.
»Hinter Ihnen. Hinter dem Beifahrersitz steht eine Sechserpackung Poland Spring. Bedienen Sie sich.« Diane langte nach hinten, holte zwei Flaschen hervor und reichte eine davon Gail. Sie bemühte sich, die Flasche nicht in einem Zug auszutrinken, was ihr jedoch schwerfiel.
»Ich bin total ausgetrocknet«, sagte sie.
»Wenn das Wasser alle ist«, sagte Mike, »gibt es noch reichlich Bier.« Er zwinkerte wieder, und Diane lächelte nett zurück, dachte jedoch im Stillen, dass sie diesen Typen nicht einmal nach dem Weg fragen würde, wenn er ihr in einer Kneipe begegnete.
Gail starrte aus dem Fenster und betrachtete die vorbeiziehenden Bäume und Felder. Eins musste sie Diane lassen, sie war cool. Und eine gute Lügnerin. Wie es schien, war sie darin geübt, anderen etwas vorzumachen. Sie sah, wie Mike Diane von der Seite musterte und sie er neut abschätzte, vielleicht suchte er nach einem neuen Angriffswinkel. Sein Interesse an ihr war offenkundig. Doch er schien unsicher, wie er weitermachen sollte.
Diane verschränkte die Arme vor der Brust, schloss die Augen und lehnte ihren Kopf so weit zurück, wie es die beengte Position erlaubte.
Der USS Intrepid mit seinen Kampfflugzeugen auf dem Deck und Scharen umherlaufender Touristen. Das wie ein Schlepper aussehende, auf dem Hudson River dümpelnde rot-grünweiße Schiff der Circle Line. Und die Lücke am Himmel, wo einst die Türme des World Trade Centers gestanden hatten. Jener Tag war einer der wenigen gewesen, vielleicht sogar der einzige während ihrer achtzehn Jahre hinter Gittern, an dem Gail wirklich froh gewesen war, im Gefängnis zu sitzen. Es schien an diesem Tag einer der sichersten Orte im ganzen Land zu sein, und vermutlich war er das auch. Welcher Feind der Vereinigten Staaten würde wohl Menschen angreifen, die bereits zu Feinden der Gesellschaft erklärt worden waren?
Der Verkehr auf dem West Side Highway schleppte sich dahin. Gail nahm alles begierig in sich auf: den Anblick, die Gerüche; das alles war eine Ewigkeit her. Sie war sich ihrer Umgebung mit jeder Zelle ihres Körpers bewusst; es war beinahe, als würde sie durch die Haut atmen. Mensch! Sie war draußen, in Freiheit, sie war frei! Die Stadt war heiß und stinkend, und Gail sog sich die Lungen voll Abgase. Überall waren Menschen, Menschen, die nicht den blassesten Schimmer hatten, wie glücklich sie sich schätzen konnten, dass sie hier draußen herumliefen, ohne dass irgendein Aufseher sie anbrüllte, dies oder jenes zu
Weitere Kostenlose Bücher