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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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Gerüche ein, die vom Asphalt aufsteigende Hitze, die Düfte von den Ständen der Straßenverkäufer: Hot Dogs und gezuckerte Nüsse und Brezeln; es war berauschend, trotz der Angst.
    »Was macht deine Wunde?«, fragte Diane schließlich.
    »Tut höllisch weh, aber wir müssen keine Konversation betreiben.«
    »Tu ich auch nicht. Müssen wir anhalten?«
    »Warum?«
    »Um dich mal von einem Arzt ansehen zu lassen?« Sie hob die Stimme. »Da drüben auf der anderen Straßenseite ist eine Ambulanz.«
    »Lass uns einfach zusehen, dass wir ankommen.«
    »Wo?«
    »Wir sind nah dran. Reg dich ab!«
    »Bitte«, entgegnete Diane. »Wenn du scheiße drauf sein willst, nur zu! Ist mir doch egal. Ich kenn’ dich ja nicht mal richtig.«
    »Wie wahr!« Gail verschwand in einer Telefonzelle und warf ein Fünfundzwanzig-Cent-Stück ein. Zum Glück hatte sie alle ihre Münzen mitgenommen. Zum Glück waren im
Gefängnis nur Fünfundzwanzig-Cent-Münzen erlaubt. Zum Glück war sie nicht gezwungen, einen Laden zu betreten und darum zu bitten, ihr Geld zu wechseln oder gar Geld auf der Straße zu schnorren. Und zum Glück hatte Diane Mike nicht erschossen.
    Mel ging beim ersten Klingeln dran.
    »Wohin?«, war alles, was Gail fragte.
    »212-555-4776. In zehn Minuten.« Mel legte auf.
    Gail verließ die Telefonzelle und bedeutete Diane mit einem Nicken, ihr zu folgen. Sie gingen die 23. Straße Richtung Osten, ohne ein Wort zu sagen, vorbei an Billigläden, Restaurants und Wohnhäusern.
    »Ich hab’ Hunger«, sagte Diane.
    »Hast du Geld?«
    »Nein.«
    »Was ich habe, reicht nur für ein paar weitere Anrufe. Aber wir sind gleich da.«
    Als nach Gails Empfinden zehn Minuten um waren, verschwand sie erneut in einer Telefonzelle. Diane sah ihr mit fragendem Blick nach, dann fielen ihr die blutigen Socken in ihrer Tasche ein, und sie entsorgte sie in einem Müllcontainer in der Nähe der Telefonzelle; sie stopfte sie tief unten hinein.
    Gail wählte die Nummer. Wieder ging Mel dran, diesmal war er an einem Münztelefon.
    »Ich bin’s«, sagte Gail.
    »Gramercy Park East achtundsieb zig«, sagte er. »Co hen, drei B.« Dann legte er auf.
     
    Der Pförtner hob seine Nase und schnupperte, doch er rief an und wies ihnen den Weg zum Aufzug. Während sie langsam in den dritten Stock hinauffuhren, ließ Diane ihre Finger über die Mahagonivertäfelung gleiten. »Ziemlich edel für eine Kommunistenbleibe , findest du nicht?«

    »Anwaltsbleibe«, korrigierte Gail. »Er ist mein Anwalt.«
    »Ja, aber er ist doch ein kommunistischer Anwalt, oder? Ich denke, du bist eine Revoluzzerin. Sollte der Typ nicht eher in irgendeinem Arbeiterviertel wohnen?«
    »Er macht seinen Job. Und nein, ich bin keine Revoluzzerin. Aber um dei ne Frage zu beantworten - dies ist nicht seine Wohnung.«
    »Wessen Wohnung ist es denn?«
    »In unserer gegenwärtigen Situation reicht es, nur das Nötigste zu wissen, okay?«
    Diane nick te, als ob sie einverstanden sei, doch Gail sah, dass sie verletzt war.
    Als sie den Fahrstuhl verließen, hielt Diane inne. »Du weißt es selber nicht, stimmt’s?«
    »Du hast es erfasst.«
    An der Tür zu 3B bedeutete Mel Schaap ihnen, schnell reinzukommen, schloss die Tür hinter ihnen und umarmte Gail überschwänglich. Er wiegte sie hin und her, seine Freude war unverkennbar; sein Gesicht strahlte vor Zuneigung, Wohlwollen und Dankbarkeit, sein Lächeln kam aus tiefstem Herzen.
    »Mein Gott«, brachte er hervor. »Ich glaube es einfach nicht!«
    Diane musterte ihn und war einigermaßen überrascht, dass Mel keinen Anzug trug. Er trug eine Khakihose und ein hellblaues Button-Down-Hemd, die Ärmel hatte er auf Dreiviertellänge hochgekrempelt. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlen musste, so innig begrüßt zu werden. Mel ließ von Gail ab, und sein Blick fiel auf Diane. Für einen Moment blitzte Misstrauen in seinen Augen auf, doch er überspielte es schnell. Diane sagte nichts. Auf dieser Seite des Gesetzes war sie nie gewesen. Hör auf dein Bauchgefühl, erinnerte sie sich. In Situationen wie dieser sind erste Eindrücke alles.

    »Kommt endlich richtig rein!«, sagte er. »Kommt rein. Ihr seht absolut furchtbar aus. Als ob ihr gerade aus dem Knast ausgebrochen wärt.«
    Er führte sie in den Salon; die Wohnung verfügte tatsächlich noch über einen Salon. Gail setzte sich neben Diane auf die Couch. Ein weicher, bequemer Platz. Geradezu göttlich. Irgendeine schwere Baumwollpolsterung. Blassgrün, beinahe olivfarben.

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