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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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müssen wir querfeldein fahren. Dadurch kommen wir langsamer vorwärts und brauchen mehr Sprit.‹
    Sie näherten sich dem Flüchtlingsstrom von der Seite. Die Menschenschlange reichte bis zum Horizont. Ein paar Meter neben der Straße blieben die beiden stehen und beobachteten das Schauspiel. Von einem Straßenrand zum anderen drängten sich die Flüchtlinge. Einige Autos und eine große Zahl von Pferdefuhrwerken, auf denen sich Bettzeug, Matratzen und Haushaltsgegenstände stapelten, kamen kaum von der Stelle.
    Auf einem Wagen entdeckte Barnes ein Messingbett, das jeden Augenblick über den Rand zu kippen drohte. Noch niemals zuvor hatte der Sergeant in den Gesichtern von Menschen eine solche Schicksalsergebenheit gesehen – Männer und Frauen am Ende ihrer Kraft, müde und verzweifelt, die Augen starr auf den Wagen vor sich gerichtet, hinter dem sie unter der glühenden Sonne stumpfsinnig einhertrotteten wie eine Herde Schafe.
    »Da kommen wir nie durch«, sagte Barnes mit verkniffener Miene.
    »Da drüben zweigt eine Straße ab.« Pierre deutete über die Felder zu einer niedrigen Hecke hinüber. »Sie könnten mit dem Panzer dort entlangfahren. Aus dieser Richtung sind seit dem deutschen Angriff keine Flüchtlinge gekommen.«
    »Weißt du, wo die Straße hinführt?«
    »Natürlich. Nach Arras. Ich war noch nie dort, aber mein Onkel hat es mir gesagt. Ich bin nur mal ein Stück weit auf ihr entlang gefahren. Die Straße ist breit genug für den Panzer.«
    Pierres Aussage deckte sich mit den Angaben auf der Karte, die Barnes vorher studiert hatte. In Gedanken beschäftigte er sich bereits mit der Stadt Arras. Penn hatte berichtet, der Rundfunk habe am Morgen gemeldet, daß ein alliierter Gegenstoß im Raum Arras geplant sei, ein Gegenstoß von britischen Panzereinheiten. Die Stadt schien einer der Punkte zu sein, an dem die Alliierten die deutschen Streitkräfte binden wollten.
    Barnes hörte, wie sich ein Auto näherte, und blickte nach rechts. Unablässig betätigte der Fahrer die Hupe. Es war eine offene Renault-Limousine, ein grüner Viersitzer, und sah aus wie ein Stabswagen des Militärs. Einen Sekundenbruchteil glaubte Barnes schon, er habe den Kontakt mit den alliierten Streitkräften wiedergefunden, doch dann erkannte er, daß der einzige Insasse eine Frau war. Immer wieder drückte sie auf die Hupe, kam aber trotzdem nicht schneller von der Stelle.
    Barnes’ Ansicht nach war sie schlichtweg verrückt, und während er sie beobachtete, verstärkte sich sein Unbehagen.
    Die Frau verhielt sich absolut idiotisch. Sie kam nicht mal auf die Idee, einigen erschöpften Menschen, die mit schleppenden Schritten vor ihr herstolperten, einen Platz in dem Wagen anzubieten.
    »Wie provozierend dumm Menschen doch sein können«, brummte Barnes aufgebracht.
    »Was sagten Sie?«
    Der deutsche Angriff kam völlig überraschend. Sie stießen genau aus der Sonne auf die Straße hinunter, so daß man die Gefahr erst im letzten Augenblick bemerkte. Doch Barnes hörte sie kommen.
    »Runter mit euch, auf den Boden!«
    Immer wieder rief er den erstaunten Menschen auf der Straße seine Warnung zu. Erst im letzten Augenblick, als die erste Messerschmitt auf die Flüchtlingsschlange zukurvte, warf er sich neben Pierre ins Feld. Im Tiefflug donnerte die Maschine über die Straße, die Bordwaffen hämmerten ein Stakkato. Die Menschen standen vor Entsetzen wie erstarrt, unfähig, in Deckung zu gehen. Barnes sah, wie ein alter Mann sich umwandte und zu dem Flugzeug hochschaute, das in wenigen Metern Höhe mit donnernden Motoren heranbrauste. Eine ganze Salve zersiebte seinen Oberkörper. Er fiel rücklings gegen einen Wagen.
    Als die erste Maschine abdrehte, zog Barnes seinen Revolver und wartete auf die nächste. Seinen linken Arm hatte er unter den Lauf geschoben. Die zweite Messerschmitt beendete ihren Sturzflug und raste über die Menschenschlange hinweg.
    Barnes sah deutlich den Helm des Piloten in der Kanzel, das schwarze Kreuz auf dem Rumpf und das Hakenkreuz auf dem Seitenruder. Er feuerte dreimal in rascher Folge, wußte aber, daß es sinnlos war. Wenn die Kugeln nicht zufällig die Tanks der Maschine erwischten, waren sie so wirkungslos, als kämpfte er mit Pfeil und Bogen. Doch Barnes wollte nicht untätig zuschauen, er mußte etwas tun.
    Die dritte Maschine brauste heran, sie zischte dicht über die Köpfe der vor Angst erstarrten Menschen hinweg. Immer wieder feuerte Barnes. Fluchend schaute er nach Westen, wo die

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