Gehetzt
Gelände.
Der Kampf mußte bald losgehen, das spürte Barnes in den Knochen. Die Waffen waren durchgeladen, die Traverse drehbereit. Barnes hatte Pierre strikt befohlen, bei Gefahr sofort vom Panzerheck zu springen und in Deckung zu gehen.
Seine innere Anspannung wuchs, je länger sie auf dieser friedlichen Landstraße vorwärtsrollten, beäugt nur von grasenden Kühen, die der Lärm des Kolosses beim Weiden störte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie in irgendein Schlamassel gerieten, und dann mußte Barnes blitzschnell eine Entscheidung treffen. Er hoffte nur, daß er dazu auch in der Lage war. Er hatte inzwischen ein Stadium erreicht, wo er das Stechen und Klopfen seiner Schulterwunde als ständiges Übel akzeptierte. Er empfand es fast schon als Teil seines Lebens, wie das Atmen. Doch an die heftigen Kopfschmerzen konnte er sich einfach nicht gewöhnen. Unter diesen Voraussetzungen war es erstaunlich, daß er überhaupt reagierte, als der Tanz losging, aber daß er sofort reagierte, war fast ein kleines Wunder.
Er hatte den Befehl gegeben, das Tempo zu drosseln, weil sie sich einer gewölbten Brücke näherten. Die Landschaft hatte sich wieder verändert, sanfte Hügel reichten bis an die Straße heran. Auch von seinem erhöhten Standort im Turm aus konnte Barnes deshalb das Straßenstück dicht hinter der Brücke nicht einsehen. Während sie vorwärtsrollten, beobachtete der Sergeant die Hügelkuppe vor sich, von der sie noch etwa dreihundert Meter entfernt waren. Irgend etwas störte ihn an der Brücke. Sein Instinkt warnte ihn, und er befahl sofort Vorsichtsmaßnahmen.
»Kanone auf einhundert. Die Brücke da vorne.«
Unter ihm preßte Penn den Kopf in eine gepolsterte Stütze und beobachtete durch das Teleskop den begrenzten Landstreifen, der sich zur Brückenmittel hin verjüngte. Er hatte den Arm durch den lederbezogenen Handgriff der Kanone gesteckt. Er lag fest in seiner Achselhöhle, so daß die geringste Bewegung der Schulter automatisch die Mündung der Kanone hob oder senkte. Mit der linken Hand hielt er den Hebel der Drucklufttraverse, die andere lag auf dem Abzug der Kanone.
Das Fadenkreuz der Zieloptik zeigte genau auf die Brückenmitte, die Entfernung war eingestellt, und er war bereit. Das alles hatte nur wenige Sekunden gedauert.
Barnes hatte kaum seine Befehle erteilt und Penn die Ausführung bestätigt, als es geschah. Über die Brücke brauste mit hohem Tempo, einem Wahnsinnstempo, ein großer Lastwagen mit geschlossener Plane. Blitzschnell identifizierte Barnes den Wagen, nicht zuletzt mit Hilfe des Soldaten, der den Kopf durch die Abdeckplane nach draußen steckte. Er trug einen Stahlhelm, der aussah wie ein etwas zu eckig geratener Pudding. Deutsche Infanterie!
»Ein deutscher Lkw. Feuer!«
Das Rohr senkte sich eine Spur, weil der Lastwagen nun über den diesseitigen Brückenbogen auf sie zurollte. Instinktiv hielt sich Barnes am Turm fest. Er wußte, was jetzt kommen würde.
Der Panzer erbebte unter dem heftigen Rückstoß, das Geschoß fauchte aus dem Rohr und raste auf sein Ziel zu. Es schlug mit fürchterlicher Wucht genau in den Motor des Wagens und riß ihn in Stücke. Metallteile, Zelttuch und Körperteile wirbelten durch die Luft.
Die Luft im Turm war erfüllt mit Kordit-Gestank, doch Barnes merkte kaum etwas davon, als er eine neue Granate mit Schwung in das Rohr schob und die Ladeklappe schloß. Dann kletterte er wieder nach oben. Der Panzer rollte auf sein Opfer zu. Vorn im Fahrerabteil starrte Reynolds mit grimmiger Genugtuung auf die Überreste des Lastwagens. Bei Gott, der Schuß hatte gesessen!
Der Lastwagen war nur noch ein Trümmerhaufen, aber der Luftdruck einer Explosion treibt manchmal seltsame Spielchen. So hatte er einige der deutschen Soldaten mit ihren Maschinenpistolen in der Hand von der offenen Ladefläche ins Gras des Hügelhanges geschleudert, wo sie für einen Augenblick benommen liegenblieben. Doch als Barnes jetzt wieder den Kopf aus dem Turm steckte, hatten sie sich soweit erholt, daß sie aufsprangen und sich im Gelände verteilten, um den Panzer zu umzingeln. Barnes gab rasch einige Befehle.
»Fahrer, runter von der Straße, nach rechts. Das Besa! Weiter rechts. Gut so. Feuer!«
Penn griff nach dem Besa. Reynolds kurvte von der Straße, durchbrach einen niedrigen Drahtzaun und raste durch das Gras hinter den fliehenden Soldaten her. Das Besa begann zu rattern, ein Kugelhagel zersiebte einen Mann rechts außen, erwischte ihn mitten
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