Gehetzt
Schließlich setzte er sein Kreuzverhör fort.
»Der Panzer steht nebenan, sagten Sie? In was für einem Zustand ist er?«
»Der Motor arbeitet einwandfrei. Das Besa ist auch in Ordnung, ebenso die Kanone. Das Funkgerät ist immer noch defekt, das Interkom funktioniert. Wir haben untereinander Kontakt, aber keine Verbindung nach draußen. Reynolds und ich standen die meiste Zeit in Sprechverbindung, während Sie selig schlummerten.«
»Etwas macht mir Sorgen. Dieser Pierre – was spielt der für eine Rolle in diesem Spiel?«
»Er hat uns enorm geholfen. Er hat unsere Ankunft beobachtet und sich seitdem um uns gekümmert. Da er ohnehin von unserer Anwesenheit wußte, hielt ich es für klüger, ihn zu unserem Verbündeten zu machen. Und daß er außer akzentfreiem Französisch auch noch Englisch spricht, ist beinahe ein Geschenk des Himmels.«
»Er ist Belgier?«
»Ja, seine Eltern leben im Norden. Er hat den Kontakt zu ihnen verloren, weil er gerade seinen Onkel in Fontaine besuchte, als der Krieg losging.«
Während er sich anzog, stellte Barnes unentwegt seine Fragen. Dabei erfuhr er auch, daß es jetzt etwa 14 Uhr war.
Schließlich kam er nochmals auf Pierre zu sprechen.
»Sie sagten, er besuchte bei Kriegsausbruch seinen Onkel, also letztes Jahr im September.«
»Nein, ich sprach vom deutschen Einmarsch in Belgien vor zwei Wochen. Und ich glaube immer noch, daß Pierre uns sehr nützlich sein kann. Sie und ich – wir sprechen beide ein wenig Französisch, aber wenn wir durchkommen wollen, brauchen wir jemanden, der die Sprache der Einheimischen perfekt beherrscht. Und der Bursche brennt regelrecht darauf, mit uns zu kommen. Wie sollen wir herauskriegen, wo wir sind, wenn…«
»Holen Sie ihn her.«
Barnes nahm die Maschinenpistole, entfernte das Magazin und untersuchte den Abzugsmechanismus.
»Pierre hat sie mitgebracht…«, begann Penn.
»Ich sagte, Sie sollen ihn herholen.«
Barnes beschäftigte sich weiter mit der Waffe und ließ Pierre warten. Er hob auch nicht die Augen, als er seine erste Frage abfeuerte.
»Wo hast du das her?«
»Ich fand sie außerhalb des Dorfes an der Straße. Zufällig beobachtete ich einen Wagen, dessen Fahrer sie in den Graben warf. Dann fuhr er sehr schnell davon. Die Waffe ist in gutem Zustand, Sergeant Barnes.«
Er sprach den Namen mit ›ä‹ aus.
»Ich habe sie selbst ausprobiert«, fügte er stolz hinzu. »Aber erst, nachdem ich das Magazin herausgenommen hatte.«
»Verstehe. Und wo lernt ein junger Bursche wie du solche Dinge?«
»Mein Vater arbeitet in der Fabrik für Handfeuerwaffen in Herstal. Er kennt sich mit Pistolen und Maschinengewehren bestens aus.«
Wieder schwang in der Stimme des Jungen Stolz mit.
»Einschließlich Ihres Bren-Gewehres. Die Waffe heißt so, weil sie zuerst in der tschechoslowakischen Stadt Brno hergestellt wurde.«
»Du hast einen Onkel hier in Fontaine?«
Barnes blickte den Jungen scharf an. Dessen blaue Augen erwiderten seinen Blick. Die Augenbrauen darüber waren so hell, daß man sie kaum bemerkte. Das ließ sein Gesicht älter wirken.
»Jetzt nicht mehr. Mein Onkel ist vor drei Tagen vor den Deutschen geflohen.«
»Verstehe. Warum bist du nicht mit ihm gegangen?«
»Weil ich keine Angst habe. Ich werde gegen die Deutschen kämpfen.« Rasch fuhr er fort: »Ich werde im Juli achtzehn Jahre alt, alt genug zum Kämpfen also. Und mit Waffen kenne ich mich aus, ich brauche nicht erst Schießübungen zu machen.
Corporal Penn sagte, ich könnte mit euch kommen.«
»Nun mal langsam, Kleiner«, unterbrach ihn Penn. »Ich sagte, daß du zuerst Sergeant Barnes fragen mußt. Das ist nicht das gleiche.«
Barnes wollte dem Jungen klarmachen, daß er unter keinen Umständen mitkommen konnte, behielt dies aber dann doch für sich. Warum den Burschen enttäuschen, solange sie noch in Fontaine waren? Statt dessen stellte er eine weitere Frage.
»Wo hast du so gut Englisch sprechen gelernt?«
»Vielen Dank, Sergeant.« Pierre strahlte. »Mein Vater schickte mich für sechs Monate nach Birmingham zur Firma Vickers, um mich über englische Waffen zu informieren. Man sagt, ich hätte einen leichten Midland-Akzent.«
»Unterhalte dich ein wenig mit Soldat Reynolds, Pierre. Ich schaue mir inzwischen mit Corporal Penn mal den Panzer an.«
Barnes erklärte Penn die deutsche Waffe, bis Pierre hinausgegangen war. »Man ist leicht versucht, die Pistole am Magazin zu fassen; man muß sie jedoch etwas höher am Lauf halten… Haben Sie
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