Gehetzt
wissen, daß wir hier sind?« fragte Barnes.
»Als er das letzte Mal kam, übernachtete er bei meinem Bruder in Fontenoy, einem Ort in der Nähe von Beaucaire. Doch zum Schlafen ist er kaum gekommen. Mit ein paar Freunden hat er sich die halbe Nacht um die Ohren geschlagen. Sie hatten einen Telefondraht quer über die Straße gespannt und warteten auf Motorradstreifen, die die Deutschen immer als Vorhut vorausschicken. Sie hatten Glück und fingen einen Fisch. Mit siebzehneinhalb Jahren hat der Junge seinen ersten Deutschen getötet, dieser Teufelskerl.«
»Ziemlich riskant, das Ganze. Die Deutschen könnten sich dafür an Unschuldigen rächen.«
»Wie schon der letzte wird auch dieser Krieg vier Jahre dauern, und wir werden so manche Repressalien erdulden müssen. Jacques geht bald zur Armee und wird dann noch mehr Deutsche töten. Dieser Geist, diese Einstellung ist es, was Frankreich am Ende retten wird. Ich muß gehen. Und erwähnen Sie davon nichts im Beisein von Marianne – sie weiß nichts davon. Manchmal versteht sie nämlich ein paar Brocken Englisch.«
Das Motorgeräusch des Wagens war jetzt deutlich zu hören.
Das Fahrzeug fuhr mit hoher Geschwindigkeit, rasch kamen die Scheinwerfer näher.
Penn flüsterte leise in das Dunkel: »Die Leute sind in Ordnung.«
»Stimmt, da vergißt man glatt Lebrun und Konsorten. Für Leute wie diese Mandels kämpfen wir. Aber verhaltet euch jetzt ruhig. Ich bete zu Gott, daß es Jacques ist.«
Jacques wirkte erwachsener und reifer als Etienne, war kräftig gebaut und hatte ein kantiges Gesicht, umrahmt von pechschwarzem Haar. Barnes empfand sofort Sympathie für den Jungen mit den wachen, intelligenten Augen, der ihm begeistert die Hand schüttelte.
»Mein Onkel hat mir von Ihnen erzählt, Sergeant Barnes. Die Deutschen stehen mit Panzern in Abbeville. Ich komme gerade von dort.«
»Wie sind Sie hinter die deutschen Linien gekommen?« fragte Barnes vorsichtig.
»Ich kenne so ziemlich alle Nebenstraßen in dieser Gegend. Außerdem halte ich die Augen offen und informiere mich bei Freunden ständig über die Lage.«
›Außerdem halte ich die Augen offen.‹
Er hatte große Augen, mit dem gleichen spitzbübischen Blitzen, das Barnes schon bei Etienne bemerkt hatte. Doch war sein Blick frecher, herausfordernder. Den Jungen schien der Gedanke zu belustigen, daß Barnes ihn in Verdacht haben könnte zu lügen.
»Sie sind also hauptsächlich über Seitenstraßen gefahren?«
»Nein, Sergeant.«
War da nicht ein spöttischer Unterton in der Stimme des Jungen? Barnes war fast davon überzeugt.
»Ich bin den größten Teil der Strecke über die Hauptstraße gefahren, die auch die Panzer genommen haben, und nur auf Seitenstraßen ausgewichen, um die Straßensperren zu umgehen.«
»Sind es viele?«
»Drei – alle vor Abbeville. Sie sollten aber auf keinen Fall durch Cambrai fahren. Die Deutschen haben im Rathaus eine Art Gefechtsstab eingerichtet und ab Sonnenuntergang Ausgehverbot verhängt. Doch keiner hält sich daran, weil die Deutschen zu wenig Besatzungssoldaten haben, um ihre Befehle bei der Bevölkerung durchzusetzen.« Er grinste breit.
»Trotzdem dürfte Ihr Tank in Cambrai nicht gerade willkommen sein.«
›Verdammt! Mir wäre es lieber gewesen, Mandel hätte ihm nichts von Bert erzählt‹, dachte Barnes.
›Er vertraut zu vielen Leuten, fürchte ich.‹ Der Sergeant überlegte kurz. Es war nicht gerade höflich, Mandels Neffen so vor allen Leuten ins Kreuzverhör zu nehmen. Marianne wusch das Geschirr ab, Reynolds half ihr dabei. Penn hing halb liegend in seinem Sessel.
Mandel zündete sich seine Pfeife an. Dann sagte er lachend:
»Fragen Sie ruhig, Sergeant Barnes. Der Junge hat nichts anderes erwartet.«
»Also ist der Weg nach Abbeville abgesehen von Cambrai und den drei Straßensperren frei?«
»Zumindest war er es, als ich herkam. Ich brauchte nur die Straßensperren bei Cambrai zu umgehen. Es war ganz einfach.«
»Sind viele Deutsche in Abbeville?«
»Die Stadt platzt fast aus den Nähten, so viele Panzer und Geschütze sind dort.«
Der Junge runzelte die Stirn und zog wie ein Clown die Augenbrauen zusammen. »Das stimmt nicht ganz. Die meisten Panzer und Artillerieeinheiten standen vor zwei Tagen im nördlichen Stadtbezirk. Seitdem bin ich nicht mehr dagewesen.
Außerdem ist dort Ausgangssperre.«
»Wann beginnt die Sperrstunde?«
»Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang. Sie dauert bis eine halbe Stunde nach dem Morgengrauen. Die
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