Gehetzt
eine Nebenstrecke. Die Hauptstraße geht nur bis Lemont, wo ich wohne, in der Nähe von Gravelines. Ich bin diese Strecke oft gefahren, wenn ich nach Abbeville wollte. Ich markiere sie ebenfalls – für alle Fälle.«
»Kann nicht schaden.«
Barnes hantierte am Motor herum.
»Vielleicht wäre es besser gewesen, dorthin zu fahren, anstatt hierher zu kommen«, fuhr Jacques fort.
»Und wärest vielleicht direkt in die Panzer hineingefahren«, murmelte Barnes.
»Schon möglich. Doch es würde mich wundern. Meiner Ansicht nach sind sie die Küstenstraße entlang vorgerückt.
Meine Route liegt unterhalb, im Landesinneren. Nach allem, was ich gehört habe, glaube ich, daß da eine Lücke ist zwischen der deutschen Panzerfront entlang der Küste und den alliierten Linien nahe der Grenze.«
»Wirklich?« Barnes’ Gesicht zeigte keine Regung, doch innerlich fragte er sich, ob er den gewitzten, klugen Burschen wirklich täuschen konnte. Ihm war nicht entgangen, daß Jacques es sorgfältig vermied, ihn nach dem Weg zu fragen, den er mit Bert nehmen wollte.
»Ich fahre am späten Vormittag nach Abbeville zurück und berichte meiner Schwester, daß es unserem Onkel gutgeht.
Von dort aus fahre ich weiter nach Lemont. Genug Sprit habe ich ja.«
›Der Ärger mit diesem Burschen ist, daß er versessen darauf zu sein scheint, dem Feind zu schaden. Er führt seinen kleinen Privatkrieg mit den Deutschen, klaut ihnen Sprit und gondelt durchs Land, um zu sehen, was sich so tut. Wenn er nicht aufpaßt, passiert ihm noch was‹, dachte Barnes.
Dieses Gespräch hatte dem Sergeant die letzten Informationen geliefert, um zu einer Entscheidung zu kommen. Er hatte sehr darauf geachtet, mit keinem Wort die Route zu verraten, die Bert nehmen würde – speziell für den Fall, daß der junge Franzose von den Deutschen gefaßt und in die Mangel genommen würde.
Barnes suchte den Himmel ab. Er war leer, wiederum ein Beweis, daß sie durch eine große Lücke in den alliierten Linien fuhren. Die deutsche Luftwaffe hätte sonst sicher Bombenangriffe geflogen.
Eine Stunde später bogen sie von der Straße nach Cambrai ab und passierten die südlichen Zubringerstraßen. Barnes ließ kurz anhalten und kletterte in den Turm hinunter, um nach Penn zu sehen.
»Wie geht es Ihnen?«
»Ganz gut, fühle mich nur ein bißchen schwindlig. Manchmal sehe ich alles doppelt.«
Penn war in ein paar Decken gewickelt und versuchte, aufrecht zu sitzen. Barnes ließ sich jedoch nicht täuschen. Als er das letzte Mal nach ihm geschaut hatte, hockte der Corporal zusammengesunken in seinem Kampfabteil. Der Kopf hing vorüber, als habe Penn nicht mehr die Kraft, ihn aufrecht zu halten.
›Was machen wir bloß mit ihm‹, dachte Barnes, und versuchte, seiner Stimme einen zuversichtlichen Klang zu geben.
»Können Sie’s noch etwas aushalten? Ich weiß, das Rütteln des Panzers muß Ihnen ziemliche Schmerzen bereiten.«
»Das ist nicht so schlimm wie der Frischluftmangel hier unten. Man meint, man säße in einem Hochofen.«
Diese Bezeichnung war nur zu treffend. Selbst das kurze Stehen auf der Drehplatte trieb Barnes den Schweiß aus den Poren, und er wunderte sich, daß Penn noch bei Bewußtsein war.
»Es wird schon gehen«, murmelte Penn.
»Wollen Sie ein wenig den Kopf aus dem Turm stecken?«
»Ich bezweifle, daß ich bis obenhin komme.«
Barnes zeigte keine Regung, doch eine kalte Furcht packte ihn. Sie mußten weiter, weiter nach Westen und dann nach Norden. Doch Penn brauchte unbedingt einen Arzt. Sie mußten einfach einen von diesen Quacksalbern finden.
Es schien, als spiele das Schicksal Penn mit Absicht einen bösen Streich. Als sie Mandels Hof erreicht hatten, war er zwar verwundet, schwebte aber nicht in Lebensgefahr. Doch jetzt war der Corporal dem Tode näher als dem Leben, daran zweifelte Barnes keinen Augenblick. Seine Haut hatte eine wächserne Farbe, seine Augen lagen tief in den Höhlen.
»Im nächsten Ort suchen wir einen Arzt«, erklärte er.
»Nicht nötig. Außer unnütz herumsitzen tue ich ohnehin nichts. Vielleicht geht es am Abend wieder besser. Es ist nur die Hitze.«
Penn versuchte seiner Stimme Festigkeit zu geben. »Der nächste Halt ist in Calais?«
»Ist noch ein weiter Weg bis dort, Penn.«
»Wie weit?«
»Etwa hundertsechzig Kilometer.«
»Also gut sieben Stunden Fahrt, wenn Bert durchhält.«
»Und wenn uns sonst nichts aufhält, aber wir müssen damit rechnen, daß sich uns einiges in den Weg
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